Studie: Medienförderung der Regierung intransparent
Die Inseraten- und Förderpolitik von Österreichs Bundesregierung im Tageszeitungsmarkt ist im Vorjahr „ideell und konzeptuell aus dem Ruder gelaufen“. Zu diesem Ergebnis kommt eine am Freitag präsentierte Analyse des Medienhauses Wien. Einzelne Marktteilnehmer – vor allem die Boulevardzeitungen – profitierten, während Verlagshäuser, die auf Verkauf und neue Online-Bezahlmodelle setzen, klar benachteiligt wurden.
Die Studie unter der Leitung von Andy Kaltenbrunner, Geschäftsführer des Medienhauses Wien, stützt sich auf die von der RTR veröffentlichten Daten aus der Transparenzdatenbank sowie diverse Förderungen wie die Presseförderung, (Corona-)Sonderförderung oder Privatrundfunk-Förderung. Wie die Analyse zeigt, flossen von der Regierung im Jahr 2020 rund 67 Mio. Euro (inkl. Förderungen) an die Tageszeitungsverlage. Davon entfielen rund 33,6 Mio. Euro auf Inserate für Print und Online – fast doppelt so viel wie 2018 und mehr als doppelt so viel wie 2019.
Die drei mit Abstand größten Profiteure der Inseratenvergabe waren die „Kronen Zeitung“ (8,4 Mio. Euro), „Österreich“/oe24.at (5,2 Mio. Euro) und „Heute“ (5,5 Mio. Euro). Auf den Boulevardsektor entfielen damit mehr als die Hälfte der Inseratenausgaben. An als Qualitätstitel geführte Medien („Der Standard“, „Die Presse“) flossen rund 11 Prozent. Ein Viertel ging an Bundesländerblätter und der Rest an den „Kurier“, der als „Midmarket-Paper“ bezeichnet wird.
Auf das Bundeskanzleramt (BKA) entfielen mehr als ein Drittel der Inseratenausgaben der Bundesregierung (rund 14,3 Mio. Euro), was „sicherlich auch den Coronakampagnen geschuldet ist“, die über das BKA abgewickelt worden seien, wie Kaltenbrunner bei der Online-Präsentation anmerkte. 95 Prozent der Mittel seien von ÖVP-geführten Ministerien geflossen. „Wir sehen hier ein deutliches Ungleichgewicht zwischen den Koalitionspartnern“, so der Studienleiter.
Betrachtet man die Ausgaben der Ministerien für Inserate je Leser und Leserin, zeigt sich, dass ein Leser einer gedruckten Zeitung der Mediengruppe „Österreich“ der Regierung 8,22 Euro „wert“ war. Weit unten angesiedelt ist in dieser Betrachtung dagegen etwa die Qualitätszeitung „Der Standard“ mit 2,43 Euro. Diese Spanne „ist aus unserer Sicht diskussionsbedürftig“, meinte Kaltenbrunner.
Das BKA teilte vor geraumer Zeit als Reaktion auf eine parlamentarische Anfrage mit, dass die Vergabe der Inserate nach einem aus Mediaanalyse und der verbreiteten Auflage (ÖAK) errechneten Mittelwert erfolge. Die Studie überprüfte diese Angabe und kam zu dem Schluss, dass die „MA/ÖAK-Formel“ für das BKA im Jahr 2020 tatsächlich eine Richtlinie darstellte. Diese Formel gewichte allerdings Gratiszeitungen höher. Benachteiligt werden Kaufzeitungen, die ihre gedruckten Exemplare knapp kalkulieren und auf Online-Inhalte setzen. Alle anderen Ministerien streuten ihre Budgets weiterhin sehr divers und nicht anhand der „MA/ÖAK-Formel“. Manche wie das Innenministerium konzentrierten dabei 70 bis 80 Prozent des Inseratenbudgets auf „Kronen Zeitung“, „Österreich“/oe24.at und „Heute“.
Bei der ausgeschütteten Presseförderung (rund 9 Mio. Euro) erhielten „Die Presse“ (1,5 Mio. Euro) und „Der Standard“ (1,48 Mio. Euro) am meisten Geld. „Heute“ und „Österreich“/oe24.at gingen leer aus. Die 2020 ausgeschüttete Corona-Sonderförderung für Tageszeitungen förderte ausschließlich nach Druckzahlen und kam entsprechend dem Boulevardmarkt besonders zugute. Presseförderung und Corona-Sonderförderung gemeinsam betrachtet liegt die „Kronen Zeitung“ mit 3,3 Mio. Euro an der Spitze der meistgeförderten Medien. Es folgen „Österreich“/oe24.at (2 Mio. Euro) und „Heute“ (1,8 Mio. Euro).
Die Analyse des Medienhauses Wien kommt zu dem Schluss, dass die staatliche Medienförderung 2020 den international üblichen Zielvorstellungen einer Vielfaltsförderung, die sich an definierten Qualitätskriterien orientiert, widerspricht. Einzelne Marktteilnehmer würden mit „sehr willkürlichen Inseratenvergaben nach intransparenten Kriterien begünstigt“. Zusätzliche Brisanz gewinnt dieser Umstand dadurch, dass öffentliche Investitionen aus Inseraten und Förderungen in den Zeitungsmarkt immer größere Bedeutung gewinnen. Die Gratiszeitungs-Gruppen erzielten bereits zwischen 20 und 40 Prozent ihrer Umsätze mit Erlösen aus der öffentlichen Hand.
Kaltenbrunner merkte an, dass die von ihm und seinem Team geleistete Arbeit, „eigentlich die öffentliche Hand leisten müsste“. Bürgern sei es unzumutbar, sich durch die unübersichtliche Datenaufbereitung zu kämpfen. Zwar habe sich manches in letzter Zeit verbessert, es müsse aber noch weit mehr passieren, um Transparenz herzustellen.
Die NEOS forderten in einer Aussendung eine Neuaufstellung der Medienfinanzierung in Österreich. „Runter mit den irrwitzig vielen Inseraten, allen voran die der Bundesregierung, rauf mit der Presseförderung“, wurde NEOS-Mediensprecherin Henrike Brandstötter zitiert. Sie kündigte für nächste Woche im Nationalrat ein Antragspaket an, in dem „eine Deckelung der künftigen Ausgaben für PR, Werbung und Öffentlichkeitsarbeit einerseits und eine Abschaffung der Löschpflicht der Transparenzdatenbank nach zwei Jahren andererseits“ gefordert werde.
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