„Wiener Zeitung“: Forschungsverbund strebt Partnerschaft an
Der Cognion Forschungsverbund strebt eine strategische Partnerschaft mit der „Wiener Zeitung“ an, um deren auf der Kippe stehenden Fortbestand als älteste Tageszeitung der Welt zu sichern. Gemeinsam mit der Chefredaktion wurde ein Konzept erarbeitet, das eine „Win-Win-Situation“ auch für die Interessen der Republik Österreich als Eigentümer darstelle, sagte Walter Hämmerle, Chefredakteur der „Wiener Zeitung“, am Montag vor Journalisten. Das Bundeskanzleramt ist informiert.
„Sollte die Republik Österreich eine strategische Partnerschaft in Betracht ziehen, haben wir die Absicht, ein Angebot vorzulegen“, erklärte Christian Helmenstein, Geschäftsführer des Cognion Forschungsverbunds, der auch als Chefökonom für die Industriellenvereinigung (IV) tätig ist. Man habe bereits ein „außerordentlich konstruktives Gespräch“ im Bundeskanzleramt (BKA) geführt und einen „Letter of Intent“ übermittelt. Noch befinde man sich aber in „einer sehr frühen Phase potenzieller Kooperation“, was auch daran liege, dass man noch nicht über den gewünschten Informationsstand darüber verfüge, was rechtlich und wirtschaftlich überhaupt möglich ist. In den nächsten Woche werde das BKA für die weitere Vorgehensweise essenzielle Informationen übermitteln, so Helmenstein.
Der Geschäftsführer des Cognion Forschungsverbunds ließ jedenfalls eine Bereitschaft für einen Kauf oder Anteilskauf erkennen – sofern das möglich ist. Auch eine Public-Private-Partnership stand im Raum. Dabei würden öffentlich-rechtliche Aufträge erfüllt, für die wiederum öffentliche Gelder fließen würden.
Medial ist der Forschungsverbund zumeist als Economia Institut für Wirtschaftsforschung in Erscheinung getreten, welches wie Helmenstein 50 Prozent der Anteile an Cognion hält. Der Verbund finanziere sich ausschließlich über Auftrags- und Programmforschung. Dabei achte man auf eine „extrem diversifizierte Auftragsbasis“ und baue auf „weit über 100 Auftraggeber“ auf, erklärte der Cognion-Geschäftsführer. In die Partnerschaft könne man ökonomische und juristische Expertise und analytische Datenkompetenz einbringen, wobei man nicht vorhabe, „Datenkommerzialisierung“ zu betreiben.
Die strategische Partnerschaft würde auf zwei Säulen aufbauen, wie Hämmerle erklärte: „Umfassende digitale Veröffentlichung von Daten und deren gemeinnützige Aufbereitung sowie eine Hardcore-Qualitäts-Tageszeitungsredaktion“. Dafür gebe es auch vonseiten der Redaktion „große Unterstützung“. Über Details zu sprechen, wäre aber verfrüht und schwer machbar, meinte Hämmerle. Man kenne aber das bestehende Modell und dieses solle dynamisch weiterentwickelt werden. „Das kann auch mehr Marktorientierung bedeuten“, so der „Wiener Zeitung“-Chefredakteur, der im Bereich der Kundenansprache Wachstumspotenzial gegeben sieht.
Ziel ist nach Ansicht Helmensteins „Erkenntnismaximierung“. Dafür existieren bereits dutzende Ideen. Eine davon lautet, ein spezielles Outlet zu schaffen, wo universitären Akteuren mehr Gehör verschafft wird. Eine andere sieht vor, das angebotsbasierte Internet „umzudrehen“ und für mehr Nachfragezentrierung zu sorgen. So könnten Leser und Leserinnen aufgrund ihrer Präferenzen vermehrt entscheiden, welche Informationen sie bekommen, wobei die Redaktion als Schleusenwärter intakt bleiben solle. Auch das umfassende Archiv der „Wiener Zeitung“ mit Algorithmen auszuwerten, schwebt dem Ökonomen vor.
Die älteste Tageszeitung der Welt steht nach Ankündigung der Abschaffung der Pflichtveröffentlichungen in gedruckter Form im Amtsblatt auf der Kippe. Bis Ende 2022 soll sich jedoch an den Pflichteinschaltungen für Unternehmen sowie für die Redaktion nichts ändern. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) sieht die Zukunft der Zeitung, die zu 100 Prozent im Eigentum der Republik Österreich steht, als digitales schwarzes Brett der Republik und als zentrale elektronische Verlautbarungs- und Informationsplattform. Die gedruckte Zeitung spielt in den türkisen Überlegungen keine zentrale Rolle mehr. Die Mediensprecherin der Grünen, Eva Blimlinger, glaubte vor wenigen Monaten an eine Transformation der Tageszeitung hin zu einer digitalen Plattform oder Wochenzeitung.
Zahlreiche aktive wie ehemalige Politiker quer über alle Parteigrenzen hinweg, aber auch Wissenschafter, journalistische Interessenvertreter sowie Prominenz aus Wirtschaft und Kultur haben sich für den Erhalt der „Wiener Zeitung“ ausgesprochen. Hämmerle zeigte sich davon am Montag „tief beeindruckt“. Auch mehrere Modelle zur Rettung der ältesten Tageszeitung der Welt wurden bereits präsentiert. Der Presseclub Concordia schlägt eine temporäre Treuhand-Lösung vor. Demnach soll die Republik die Eigentümerschaft an eine noch zu gründende Treuhandgesellschaft übertragen, die ein nachhaltiges Geschäftsmodell samt neuem Eigentümer aufstellen soll. Der Medienexperte Fritz Hausjell erachtet es als sinnvoll, die „Wiener Zeitung“ als öffentlich-rechtliches Medium zu erhalten, wobei sie auch als Entwicklungslabor für modernen Journalismus fungieren solle.