Wissenschaft zwischen Rampenlicht und „Morddrohungen“
Nie zuvor in der jüngeren Geschichte waren Wissenschafter so im Rampenlicht wie in der Covid-Krise. Das hat der Forschung nicht nur Applaus gebracht, auch „Morddrohungen waren kein Einzelfall“, sagte der Virologe Andreas Bergthaler am Dienstagabend im Rahmen einer Veranstaltung von APA-Science. Wie Forscher in politische Entscheidungen eingebunden sind, sollte daher nachvollziehbarer werden, so die Diskutanten. Den Mut, sich zu exponieren, wird die Forschung weiter brauchen.
Für eine wissenschaftliche Arbeit hat man in der Regel jahrelang Zeit, kann abwägen und möglichst alle Seiten eines Problems betrachten. In der Krise wollen Menschen hingegen rasche Antworten auf Basis von wenig gesicherter Information, die dann bestenfalls auch noch im wendigen Fortlauf der Pandemie beständig richtig bleiben. Einer der sich hier stark exponiert hat, war Bergthaler, der am Forschungszentrum für Molekulare Medizin (CeMM) der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) die Entwicklung des SARS-CoV-2-Virus verfolgt (siehe auch ).
Argumente allein reichen nicht aus
Manchmal habe auch er sich gefragt, warum er das eigentlich tut. Denn egal welche Aussage man tätige, irgendjemand stößt sich immer daran. Der Reigen reiche von Coronaleugnern, die alles anzweifeln, bis zu Kollegen aus der Forschung, die etwa kritisieren, dass man überhaupt noch versucht, Impfgegner mit Argumenten zu überzeugen. Dass Argumente alleine nicht ausreichen, sei eine Einsicht, die Bergthaler gewonnen hat. Wissenschafter, die es als „Laborraten“ oft nicht gewohnt sind, auf emotionalerer Ebene zu diskutieren, müssten lernen, auf die Ängste und Sorgen mancher Menschen zu hören. „Wir müssen aus unserer ‚Bubble‘ herauskommen“, sagte Bergthaler in der Diskussion mit dem Titel „Forschung im Rampenlicht – und jetzt?“.
Trotz des Gegenwindes der auch der Wissenschaft im Zusammenhang mit der Krise entgegenweht, sollten sich Forscher weiter überlegen, was ihr Beitrag für die Gesellschaft ist, betonte Henrietta Egerth, Geschäftsführerin der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG). Das Kommunizieren in Richtung Politik und über Fachgrenzen hinweg in die breitere Bevölkerung hinein, seien „Nahtstellen, die wir noch nicht so intensiv bearbeitet haben“. Es sei natürlich wichtig aufzuzeigen, wo die eigene Expertise endet, es brauche allerdings auch mehr Forscherpersönlichkeiten, die sich trauen, zu unterschiedlichen Themen in der Öffentlichkeit Stellung zu nehmen. Die Institutionen, aus denen diese Personen kommen, müssten sie auch stärker unterstützen. Es brauche nämlich auch Menschen, die niederschwellig Leute erreichen, die nicht unbedingt Qualitätsmedien lesen, sagte Egerth.
„Sternstunde“ und „Selbstentzauberung“
Die Politik wiederum wäre in der Krise ohne die Wissenschaft „verloren“ gewesen, sagte Alexander Bogner vom Institut für Technikfolgenabschätzung (ITA) der ÖAW. Covid-19 sei ebenso eine „Sternstunde der Wissenschaft“ wie auch die Stunde der „Selbstentzauberung“ selbiger, so der Soziologe. Während Experten in aller Öffentlichkeit Meinungsverschiedenheiten austauschten, ließ sich jedoch nur wenig Einblick darin gewinnen, wie politische Entscheidungen unter Mitwirkung von wissenschaftlicher Expertise getroffen wurden.
Es brauche daher künftig möglichst transparente Beratergremien, in denen sich verschiedene Disziplinen aufeinander beziehen können und müssen. Das sei besser als „aneinander Vorbeireden im Fernsehen“, so Bogner. Gleichzeitig dürfe sich die Politik auch nicht der Wissenschaft unterwerfen. Man benötige aber einen nachvollziehbaren Prozess, wie es zu möglichst evidenzbasierten Entscheidungen kommt. Nach dieser Logik funktioniere das politische System aber nicht wirklich.
Egerth: Gremien sollen Forscher schützen
Das sieht auch Bergthaler so: Denn die Beratungsstrukturen in der Krise seien bisher teils „äußerst intransparent“ gewesen. Das bringe dann auch den Experten Frust, wenn mit dem Finger auf eine beteiligte Einzelperson gezeigt wird, die möglicherweise falsch gelegen ist. „Forscher sollten durch Gremien auch geschützt sein und nicht auf Einzelmeinungen reduziert werden“, sagte Egerth.
Auffällig verändert präsentiert sich auch das Zusammenspiel von Wissenschaft und Medien im Zuge der Covid-Krise. Die Wissenschaftsberichterstattung habe die einschlägigen Redaktionen ein Stück weit verlassen. Wenn aber etwa Innenpolitik- oder Sportredakteure Forscher interviewen, hätten sie ihre eigene Logik des Fragenstellens angewendet und von Wissenschaftern zum Beispiel wissen wollen, wer denn jetzt wo recht hat oder quasi gewonnen hat, so Matthias Karmasin vom Institut für vergleichende Medien- und Kommunikationsforschung (CMC) der ÖAW und der Universität Klagenfurt. Hier müssten sich Forscher auch abgrenzen können: „Ich finde es nicht schlimm, in Interviews zusagen: Da sage ich nichts dazu.“
Mehr Ressourcen für Wissenschaftsjournalismus
Insgesamt könne man jetzt auch umso mehr sehen, wie wichtig Medienkompetenz ist, die Kindern schon sehr früh vermittelt werden müsste. „Was in der Timeline bei Facebook auftaucht und was journalistisch gut recherchiert ist, ist nicht ganz das selbe“, so Karmasin. Es zeige sich, welch wichtige Funktion der Wissenschaftsjournalismus spielt, wenn es um das breitere Verständnis wissenschaftlicher Inhalte geht. Wenn nun notwendige Änderungen in der Medienförderung politisch angegangen werden, sollten „Ressourcen für Wissenschaftsjournalismus zur Verfügung gestellt werden“, sagte der Kommunikationswissenschafter.
Service: Eine Videoaufzeichnung der Veranstaltung findet sich unter ; Fotogalerie: