Hinter vorgehaltener Maske: Wie COVID-19 unsere Kommunikation verändert
Sprachexpertin Tatjana Lackner von „Die Schule des Sprechens“ analysiert, wie sich das Kommunikationsverhalten in der COVID-19-Zeit verändert und welche Kommunikations-Trends daraus entstehen.
Die Maßnahmen zur Eindämmung der COVID-19-Verbreitung verändern durch „Physical Distancing“ und zahlreiche neue Verhaltensregeln den persönlichen Umgang miteinander. Körpersprache, Social Codes und Rituale bekommen eine wichtig Bedeutung in der „neuen Normalität“. Denn: Ein Großteil unserer Sprache läuft unbewusst und ohne Worte, also nonverbal, ab. Durch das Tragen von Masken ist die Mimik eingeschränkt und der vorgeschriebene Mindestabstand schränkt die beziehungsbindenden Körperbewegungen stark ein.
„Die Kommunikationsveränderung zeigt sich bereits beim ersten Kontakt zu unserem Gegenüber: Händeschütteln, Wangenbussi und die kollegiale Umarmung zur Begrüßung sind aktuell tabu. ‚Sei artig und gibt schön die Hand‘ – wie oft habe ich in meiner Kindheit diesen Satz gehört. Durch den Verzicht auf unsere angelernten Kommunikationsrituale wandelt sich unser Sprachverhalten enorm“, analysiert Sprachexpertin Tatjana Lackner.
Substitute fürs Händeschütteln
In der berührungslosen Zeit haben sich daher überall verschiedene Begrüßungs- und Verabschiedungsrituale etabliert. Etwa der „Ellbogenkick“, der „Foot-Shake“, der „Faustgruß“, der „Namasté-Gruß“ oder auch der „Napoleon-Gruß“. All diese Empfangs- und Lebewohlformen gewinnen in der aktuellen Situation völlig neue Bedeutung. Dass diese Rituale auch im beruflichen Umfeld Einzug halten könnten, sieht Lackner eher kritisch:
„Obwohl beispielsweise beim Faustgruß oder Foot-Shake seltener Viren übertragen werden, ist das dem Chef gegenüber selbst in COVID-19-Zeiten nicht die adäquate Begrüßung. Zudem wird bei diesen Methoden der Mindestabstand kaum gewahrt. Der Ellbogenkick mutet zu amikal an. Beim Namasté-Gruß stimmt oft die Text-Bild-Schere nicht: Vor der taffen Geschäftsverhandlung ist diese Geste für unseren Kulturkreis zu unterwürfig und manche empfinden ihn gar esoterisch“, so Lackner.
Doch die Maßnahmen haben nicht nur bei Begrüßung und Verabschiedung Einfluss auf den Kommunikationsablauf. Auch im sonstigen beruflichen und persönlichen Alltag gibt es Veränderungen. So müsse überlegt werden, wie wir beispielsweise Menschen bei Preisverleihungen oder für besondere Auszeichnungen in Zukunft gratulieren. Für Lackner ist es nun wichtig, zu erkennen, dass das gesprochene Wort in berührungslosen Zeiten umso mehr Bedeutung gewinnt. Die verbale Kommunikation tritt nun noch deutlicher in den Vordergrund.
Fake News und die Wirklichkeit
Auswirkungen auf das Sprachverhalten haben auch andere Entwicklungen:
Rund um COVID-19 gab es zahlreiche Meinungen und weltweit hunderte Experten, die einander oft widersprachen. Die letzten Monate waren geprägt von Fakten, Statistiken und Diagrammen. Diesen steht Lackner kritisch gegenüber, da sie sich in alle Richtungen interpretieren ließen, obgleich sie vorgäben, etwas „objektiv“ zu beurteilen.
„In der Politik gilt das ebenso wie in der Werbung: Wenn ein Produkt zu 92 Prozent fettfrei ist, dann isst man mit 8-prozentiger Sicherheit Fett.“
Hinter statistischem Framing ließen sich Manipulationen leicht verstecken. Aus harten Daten werden dann weiche Fakten und aus einem Gefühl Meinungen bei Wählern, Kunden oder Patienten.
Wichtig wäre, laut Lackner, zu überlegen, was Österreich für künftige Krisen aus der Pandemie mitnimmt. Welche Maßnahmen sich beispielsweise bewährt haben und wo in unserem System nachgerüstet werden müsse – etwa beim digitalen Ausbau von Schulen landesweit. Auch beim Umgang mit Senioren in den Alten- und Pflegeheimen sieht Lackner Verbesserungsbedarf.
„Viele öffentliche Medien verbreiten bevorzugt die Botschaft der Regierung. Meine Aufgabe ist es, die sprachliche Dramaturgie benennen zu können und aufzudecken, welche Bilder und Argumente als Trümpfe eingesetzt werden. Wodurch sind Denk-Lables unterscheidbar? Wann gilt etwas als Verschwörung und wann als Fake News?“
In Zukunft sollen auf Plattformen Fake-News-Posts gelöscht werden. Woran sich diese Manipulationen jedoch erkennen lassen, beschäftigt die Sprachexpertin und Wirtschaftstheoretikerin seit Jahren. Statistisches Framing und das Spiel mit Worten und Zahlen ist nicht immer leicht zu durchschauen.
Über die Schule des Sprechens
Die Schule des Sprechens wurde 1994 von Kommunikations- und Verhaltens-Profilerin Tatjana Lackner gegründet und ist die führende privatwirtschaftliche Ausbildungseinrichtung für Kommunikationsstrategien und Sprecherausbildungen. 46 Experten unterrichten und coachen in sieben Abteilungen. Lackner ist Autorin zahlreicher Bücher („Business-Rhetorik to go: Sprechen 4.0“, „Die Kommunikationsgesellschaft: Lackners Labor“, „Rede Diät – So halten Sie Ihre Rhetorik schlank“ oder „Be Boss – 33 Stolpersteine beim Führen und Kommunizieren“) sowie Vortragende und Gastdozentin an unter anderem der Medizinischen Universität Wien, Wirtschaftsuniversität Wien, Universität Wien oder Donau Universität Krems und der FH für „Führung und Politik“. 2014 wurde Sie vom Magazin „Training“ als „Trainerin des Jahres“ für Deutschland, Österreich und die Schweiz ausgezeichnet. Weitere Informationen auf https://www.sprechen.com.
Wien (LCG)