Interview mit Friedrich Kern

Nach 40 Jahren in Marketing und Vertrieb blickt Friedrich Kern auf eine eindrucksvolle Karriere zurück. Klingende Markennamen wie Kika-Leiner, Otto Versand, Gröbl Möbel bis hin zur Österreichischen Post wurden unter seiner Leitung erfolgreich beworben. Seit Oktober 2023 begleitet er mit seiner Firma ´Mail Consulting´, einer Agentur für Dialogmarketing, Unternehmen bei der Optimierung ihrer Werbekampagnen. Seit fast zwei Werbegenerationen ist er mit Leidenschaft der tatsächlichen Werbewirkung der unterschiedlichen Mediengattungen auf der Spur. Seine Devise: ´Testen, messen, optimieren´ – Sein Credo: ´Es gibt immer eine noch bessere Lösung!´. In seiner Arbeit hat Marktforschung – die für ihn weit mehr als nur Balkendiagramme darstellt – einen extrem hohen Stellenwert. Als Mitbegründer des „Branchen Trackings“ basiert seine Arbeit auf unverzichtbaren Fragen, die zu stellen sich – in der heutigen schnelllebigen Werbewelt – kaum jemand die Zeit nimmt.

Im Gespräch mit MedienManager Herausgeber Otto Koller weiß er eindrucksvoll zu begründen warum werbende Unternehmen mehr auf ihre Kunden hören sollten als auf Medien und Plattformen. Leistungswerte der unterschiedlichen Mediengattungen wie Auflagenzahl, Anzahl erreichte Nutzer, Visits, Engagements, etc., bieten seiner Meinung nach nur noch wenig Aussagekraft. Wer wissen möchte, wie seine Werbeinvestition wirkt, muss sich auch mit der tatsächlichen Wirkung seiner Werbemaßnahmen befassen und den zentralen Fragen: „Wer kann sich an meine Werbung erinnern? Wer hat aufgrund meiner Werbung nun tatsächlich einen Einkauf getätigt“ nachgehen. Eine Frage die im Zeitalter von Pod´s, Froud und knappen Werbebudgets immer mehr an Bedeutung gewinnt.

Otto Koller: Fritz, Du bist Initiator und Mitbegründer der Werbewirksamkeitsstudie mit der Bezeichnung ´Branchen Tracking´. Wie kam es dazu?

Friedrich Kern: Ja, das ist eine gute Frage. Um so ein Projekt zu stemmen, braucht es auf jeden Fall eine gewisse Grundeinstellung. Ich war immer ein extrem neugieriger Mensch in meiner Arbeit und wollte es einfach genau wissen. Die Frage: ´Was verursacht unsere Werbearbeit ganz konkret in Zahlen´ ließ mich Nachts einfach nicht schlafen.

Du warst in Deinem Berufsleben in leitenden Positionen für den Werbeerfolg Deiner Auftraggeber verantwortlich. Welche Rolle hatte da das Thema testen und optimieren?

Eine Bedeutende. Bei Otto Versand haben wir bei jeder Kampagne ganz bewusst getestet und somit auch von der Realität gelernt. Es ging dabei um Mailingvarianten, Zielgruppen, Verkaufsfördernde Maßnahmen, und vieles mehr. Das Wichtige dabei war:  Wir haben getestet, nicht ausprobiert. Wir alle wissen, das ist ein großer Unterschied. Wir haben also reale Ergebnisse analysiert, miteinander verglichen und Entscheidungen für unser weiteres Vorgehen daraus abgeleitet und getroffen.

Hast Du in Deiner Arbeit auch Erfahrungen auf Basis eigener Messergebnisse gemacht, die letztlich von den Ergebnissen der allgemeinen Media-Analysen abwichen?

Ja klar. Als Werbeleiter beim Leiner – wollte ich beispielsweise wissen, welche Zeitungen für uns am besten funktionieren. Natürlich hat unsere Mediaagentur alle verfügbaren Daten evaluiert und ihre Empfehlung abgegeben. Aber ich wollte es genau wissen. Und so sind wir auf die Idee gekommen Kupon-Inserate zu buchen. Wir analysierten auf diese Weise die Fragen:  Wie viele Kupons aus welcher Zeitung eingelöst werden? und in der Folge: Wie viel kostet ein eingelöster Kupon? Das Ergebnis brachte ein sehr konkretes Ranking. Jede Zeitung, egal ob nationale Tageszeitung oder regionale Gratiszeitung, fand dabei Berücksichtigung und hatte ihre Chance. Was dabei raus kam war für uns alle eine Überraschung. Und die Änderung bei unseren Mediabuchungen auch.

Wie kam es letztendlich zum ´Branchen Tracking´?

Das war vor ca. 20 Jahren. Marketagent.com stand am Beginn seiner Erfolgsgeschichte und brachte Digitalisierung in die Marktforschung. Digitales Marketing beschränkte sich damals noch auf Display Werbung. Ich war zu dieser Zeit als Branchenmanager im Vertriebsteam der Post und unter anderem für die Betreuung der Mediaagenturen verantwortlich. Gemeinsam mit meinem Team sollten wir also Mediaplaner dazu motivieren, für ihre Kunden Flugblattverteilungen zu buchen.

Eine Aufgabe, die sich als schwierig bis unmöglich herausstellen sollte. Flugblätter galten nicht als  Medium und es gab somit auch keine Leistungswerte dazu. Sie galten als Sonderwerbeform. Für die klassischen Medien gab es damals für die Mediaplaner Daten aus Mediaanalyse, Cawiprint, Regioprint, Teletest, Radiotest, u.v.m.. Für Flugblatt und Printmailing gab es hingegen nur Auflagen und Kosten.

Wenn wir mit unsrem Flugblatt erfolgreich sein wollten war der Auftrag also klar: „Wir mussten es schaffen, das Flugblatt als Medium zu etablieren. Und das wiederum bedeutete belastbare Vergleichswerte zu den klassischen Medien, zu generieren. Denn eines hatten wir gelernt: Mediaplaner benötigen Zahlen.“

Wir haben dann Mitarbeiter von Mediaagenturen, Marktforscher und unabhängige Medienberater eingeladen, mit uns gemeinsam eine Werbewirkungsstudie zu entwickeln, die die Anforderungen der Planer erfüllt und mehr Informationen liefert als die herkömmlichen Untersuchungen zur Medialeistung.

Das alles geschah in einer Zeit, wo die Frage nach der tatsächlichen Werbeleistung der Medien immer mehr in den Mittelpunkt gerückt wurde. Ich erinnere mich da an ein Zitat von FH-Prof. Mag. Helmut Kammerzelt, MAS aus dem Jahr 2004: „Mediaanalyse, Teletest, Radiotest & Co. liefern nur Leistungswerte der Medien. Wir benötigen jedoch auch valide Daten darüber, welche Werbeleistung dadurch bei wem entsteht“.

Und so entstand schließlich das ´Branchen Tracking´.

Was genau bietet das ´Branchen Tracking´?

Das ´Branchen Tracking´ zeigt, wie Menschen Marken subjektiv wahrnehmen und ob sie deren Werbung bezogen auf Mediengattungen erinnern. Darüber hinaus beinhaltet das Branchen Tracking einen umfassenden „Allgemeinen Teil“ zu Soziodemografie, Interessen, persönlichen Eigenschaften sowie Einstellungen zu den Themen Einkaufen und Werbung.

Was war das Besondere daran?

Die Agenturen wollten die Daten in ihrer Werkzeugkiste haben – sprich: In deren „Zählprogramm“ ZERVICE. Wir konnten das nun bieten und quasi auf Knopfdruck Kreuztabellen für die Detailanalyse erzeugen. Aber nicht nur das wir waren auch in der Lage unterschiedliche Fragen miteinander zu kreuzen und liefern nun mehr Antworten als uns Fragen einfallen. Wir haben also eine richtige Schatztruhe vor uns.

Welche spannenden allgemeinen Erkenntnisse liefert die Studie?

Zum Beispiel fragen wir unter anderem: ´Welche Werbeformen finden Sie besonders oder auch gar nicht ansprechend?´ Was dabei interessant und gleichzeitig ernüchternd ist, ist der 10-Jahresvergleich: Alle Werbeformen haben in der Bewertung eingebüßt. Werbung hat also scheinbar in der Qualität verloren.

Eine weitere Erkenntnis ist, dass sich die Einstellung zur Werbung allgemein verschlechtert hat. Waren es im Jahr 2009 noch 8 % so meinten 2019 bereits 12 % der Befragten, dass Werbung überflüssig sei. Das entspricht einer Steigerung von 50 %. Darunter fallen auch jene, die in der Umfrage angeben, dass sie keine der angeführten Werbemittel nutzen. Und jetzt wird es wirklich spannend: Diese „Verzichtsquote“ ist nicht für alle 8 erhobenen Branchen gleich. Der Anteil dieser „Werbeverzichter“ reicht von 19% für Werbung von Möbelhäusern bis zu 43% für Werbung aus dem Schuhhandel.

Da stellen sich natürlich auch zum einem die Fragen: Liegt es am Angebot oder an den Aktionen, und zum anderen: Liegt es am Mediamix oder an der Qualität der Werbung?

Auch diese Fragen werden durch die Studie abgedeckt. Wir fragen auch ab, welche Werbeformen vor dem Einkauf genutzt werden und welche besonders sympathisch sind und können daraus feststellen, dass es „Werbung Pur“ ist, die gefällt und genutzt wird. Das Fazit an dieser Stelle: Werbung ist nicht lästig, wenn sie hilft, Kaufentscheidungen zu treffen. Werbung wird sogar absichtlich abonniert – denken Sie dabei an den E-Mail-Newsletter. Wenn jetzt Branchen auf Werbeformen wie Flugblätter verzichten, dann hat das Auswirkungen auf den Nutzungsgrad.

Was kann man noch aus der Studie lernen?

Wie gesagt, wir sprechen hier von einer Schatztruhe. Das Ergebnis geht weit über das bisher Besprochene hinaus. Die Studie bietet auch Antworten auf Fragen wie: Welchen Eindruck hinterlässt die Werbung meines Konkurrenten – bei meinen Kunden? Was sind die bevorzugten Einkaufsquellen? Wie hoch ist die Flugblattnutzung nach Altersgruppen? Ist Print wirklich tot und leben die Jungen wirklich nur noch digital? Soviel sei hier schon verraten: Nein, ist es nicht und nein, tun sie nicht! Wo wird Werbung gerne gesehen, gehört, wahrgenommen, etc.? Sind Newsletter-Abonnenten vorwiegend Schnäppchenjäger? Was zeichnet die Abonnenten von E-Mail-Newslettern besonders aus? Und vieles, vieles mehr.

Was kann oder auch soll ein werbetreibender Unternehmer daraus lernen?

Ich denke die wichtigsten Learnings aus der Studie lassen sich wie folgt beschreiben:

  • Werbung ist ok, wird geschätzt und muss sich nicht verstecken.
  • Content is King!
  • Jede Werbeform hat eigene Regeln, Vorteile und Einschränkungen.

Und was letztlich für unsere heutige Zeit, in der viele immer noch meinen sie müssten nur die Big Player kopieren entscheidend ist: Auch die großen Marken machen in ihrer Werbearbeit große Fehler. Und man sollte sich gut überlegen, ob man das scheinbar Erfolgreiche einfach kopieren sollte.

Die beste Methode ist immer noch: Selbst kreativ sein, eigene Strategien entwickeln und: Testen – Messen & Optimieren.

© Privat
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Friedrich Kern ist seit über 40 Jahre in Marketing und Vertrieb aktiv. Erfahrungen sammelte er unter anderem in Führungspositionen bei Otto Versand, Kika/Leiner und der österreichischen Post AG. Die letzten 10 Jahre war er als Leiter Dialogmarketing verantwortlich für die Entwicklung und Umsetzung von Multichannel – Dialogmarketing – Kampagnen für Geschäftskunden der Post. Heute bietet er seine Expertise zu den Themen Print-Mail, E-Mailing und Dialogmarketing als Berater an. Unter der Marke „Mail-Consulting“ unterstützt er Unternehmen dabei, Optimierungspotenziale im Dialogmarketing zu nutzen.

 

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