KI, Medienwandel & Verantwortung

Wie verändert Künstliche Intelligenz die Medienbranche? Welche Rolle spielt die APA als vertrauensstarke Nachrichtenagentur in einem Umfeld, das von Deepfakes, automatisierten Inhalten und neuen EU-Regulierungen geprägt ist? Und wie gelingt es, Innovation und journalistische Verantwortung miteinander zu verbinden?

Im neuen Interview zwischen Verena Krawarik, Head of Innovation bei der APA & APA-medialab, und Otto Koller, Herausgeber des MedienManager, geht es genau um diese Zukunftsfragen. Offen, klar und praxisnah spricht Krawarik darüber, wie KI bereits heute den journalistischen Alltag unterstützt, welchen Beitrag das APA-KI-Board für Transparenz und Qualität leistet und welche Auswirkungen der EU AI Act für Medienhäuser – und damit auch für Werbetreibende und KMU – haben wird.

Dieses Gespräch liefert Orientierung in einer komplexen Zeit: Es zeigt, wo Chancen liegen, wo Risiken real sind und warum gerade jetzt verlässliche Informationen wichtiger denn je werden.

 

 

Wichtigste Erkenntnisse

0:55 – 2:16: Verena Krawarik: Werdegang, Rolle und Aufbau der KI-Taskforce.

2:31 – 5:10: Vielseitiger KI-Einsatz in der APA: Transkription, Lektorat, Alttexte, Klassifizierung, semantische Suche, Company-GPT.

5:24 – 7:32: Human-in-the-Loop als Grundprinzip. Keine generativen Nachrichtentexte in der APA.

8:04 – 8:52: KI unterstützt Qualitätssicherung, Verantwortung bleibt beim Menschen.

9:12 – 10:57: Messbare Effekte: 30 % Zeitersparnis in Medienbeobachtung, neues Redaktionssystem FIRST.

11:19 – 12:36: Offener Umgang der Redaktion, Weiterbildungen nehmen Ängste.

13:00 – 16:31: Das KI-Board: Trusted AI, Transformation AI, Content AI. KI-Leitlinie und Weiterbildungsprogramme.

17:25 – 18:55: Leitlinien öffentlich, regelmäßige Updates, unterschiedliche Anforderungen intern.

19:26 – 23:14: EU-AI-Act: Transparenz, Deepfake-Regelungen, viele freiwillige Maßnahmen der Medienbranche.

23:51 – 27:52: Deepfake-Erkennung: Zusammenarbeit APA–AIT, Originalbildpolitik, Watermarking-Diskussion.

28:45 – 30:16: Europäische Rolle: Trusted News Hub, Media Data Space, GATMO, Export des Systems FIRST.

30:38 – 31:33: APA beschäftigt sich seit Jahren mit datengetriebenem Journalismus.


Kapitelübersicht

00:00 – Begrüßung & Einführung ins Thema
02:10 – Was sich durch KI in der Medienbranche verändert
06:45 – Risiken: Deepfakes, Manipulation & Vertrauensverlust
11:20 – Chancen: Automatisierung, Entlastung & Innovation
15:55 – Das APA KI-Board: Trusted AI, Transformation AI, Content AI
21:20 – Human-in-the-Loop: Warum Menschen unverzichtbar bleiben
26:40 – Datengetriebener Journalismus in der Praxis
31:10 – Welche Verantwortung Medienhäuser jetzt tragen
34:30 – Fazit: Kompetenz, Transparenz & Zukunftsrobustheit

 


Transkript Interview: Otto Koller (MedienManager) mit Verena Krawarik (APA)

Otto Koller (0:09 – 0:54):

Herzlich willkommen bei uns in der MedienManager-Redaktion. Heute sprechen wir über KI im Journalismus. Dazu begrüße ich meinen Gast Verena Krawarik. Hallo Verena.

Verena Krawarik:

Hallo Otto, danke für die Einladung. Ja, ich bin Head of Innovation bei der APA und beim APA Media Lab.

Otto:

Bevor wir ins Thema einsteigen, erzähl unseren Seherinnen und Sehern etwas über dich. Wer ist Verena Krawarik und was steckt hinter deinem Titel?

Verena (0:55 – 2:16):

Ich bin ein APA-Urgestein und seit Februar 2000 im Unternehmen. Ich komme ursprünglich aus der Wissenschaftsredaktion im Bereich Multimedia. Aus einem Zukunftsthema heraus hat sich mein Weg ins Innovationsmanagement entwickelt. Mein journalistischer Background ist also da, wenn auch schon etwas älter. Das Innovationsmanagement ist geblieben und macht mir große Freude. Ich kümmere mich um Förderungen und leite die KI-Taskforce der APA. So ist ein großes Aufgabengebiet an der Schnittstelle von Innovation, Regulierung, KI und Journalismus entstanden.

 

Einsatz von KI in der APA

Otto (2:17 – 2:30):

Journalismus und KI sind ja ein sensibles Thema. Wie setzt die APA KI konkret ein?

Verena (2:31 – 4:25):

Sehr vielfältig, aber immer noch assistierend. Wir nutzen KI etwa für Interview-Transkriptionen oder als Textassistent, der beim Lektorat hilft und Titelvorschläge macht. Für barrierefreie Alttexte bei Grafiken ist KI ebenfalls im Einsatz. Dazu kommen Klassifizierungsmodelle, die unsere Inhalte strukturieren. In der Mediendatenbank sind alle Inhalte nach einheitlicher Logik durchsuchbar, unterstützt durch KI. Neu ist unsere semantische Suche: Man kann einfach eine Frage stellen wie „Otto Koller mit Regenschirm“ und findet sofort ein passendes Bild.

Otto (4:25 – 4:28):

Und das alles in Sekundenbruchteilen.

Verena (4:28 – 5:10):

Genau. Geschwindigkeit ist ein wichtiger Faktor. Wir müssen selbst oft in Archiven suchen, und KI hilft enorm. Außerdem haben wir ein eigenes Company-GPT für alle APA-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

 

Mensch und Qualität

Otto (5:10 – 5:24):

Das führt zu zwei großen Themen: Mensch und Qualität. Welche Rolle spielt der Mensch?

Verena (5:24 – 6:33):

Eine zentrale. Wir arbeiten mit Human-in-the-Loop. Der Mensch kontrolliert und überwacht alle KI-Systeme. Transparenz ist entscheidend. Was wir nicht tun: Texte vollständig von KI schreiben lassen. Das wäre nicht im Sinne einer Nachrichtenagentur.

Otto (6:34 – 6:35):

Bleibt das so?

Verena (6:36 – 7:32):

Ja. Automatisierung gibt es nur dort, wo Daten klar interpretierbar sind, etwa bei Wahlberichterstattung. Nachrichtenagenturen müssen „true and unbiased“ liefern, auch bei Bildern mit historischer Relevanz.

 

Qualitätssicherung durch KI

Otto (7:35 – 8:04):

Verwendet ihr KI auch zur Qualitätssicherung?

Verena (8:04 – 8:52):

Ja, aber unterstützend. Fehler im Lektorat erkennt KI schneller. Die Verantwortung für inhaltliche Qualität bleibt beim Menschen.

 

Messbare Effekte

Otto (8:53 – 9:11):

Gibt es messbare Effekte?

Verena (9:12 – 10:57):

Ja. Im Lektorat hat das Tool die Qualität erhöht. In der Medienbeobachtung sparen wir durch Klassifizierungsmodelle rund 30 Prozent Zeit. In der Redaktion erwarten wir Effekte, sobald unser KI-gestütztes Redaktionssystem „FIRST“ vollständig ausgerollt ist.

 

Umgang der Redaktion mit KI

Otto (10:59 – 11:18):

Wie reagiert die Redaktion? Gibt es Ängste?

Verena (11:19 – 12:36):

Durch viel Kommunikation und Weiterbildungen kaum. Je besser man die Tools versteht, desto weniger Ängste entstehen. Die Redaktion ist offen und sieht KI eher als Entlastung.

 

Das KI-Board der APA

Otto (12:37 – 13:00):

Warum gibt es ein KI-Board?

Verena (13:00 – 15:11):

Die Taskforce war der Start, aber wir wollten das Thema breiter verankern. Das KI-Board besteht aus Executives und KI-Wizards. Dazu drei Arbeitsfelder: Trusted AI, Transformation AI und Content AI. Ich leite Trusted AI.

Otto (15:11 – 15:19):

Was ist bisher der wichtigste Output?

Verena (15:20 – 16:31):

Unsere KI-Leitlinie, der Text-Assistant und umfangreiche Weiterbildungen. Das Board diskutiert auch kritisch, welche Technologien wir einsetzen wollen.

Otto (16:32):

Zum Beispiel?

Verena (16:34 – 16:57):

Stimm-Cloning. Für die Redaktion ausgeschlossen, in der OTS-Weiterbildung aber testweise eingesetzt.

 

Leitlinien und EU-AI-Act

Otto (16:58 – 17:25):

Wie weit stellt ihr Leitlinien öffentlich zur Verfügung?

Verena (17:25 – 18:55):

Unsere Leitlinie ist online und wird laufend aktualisiert. Redaktion und Marketing haben unterschiedliche Anforderungen, aber es gibt gemeinsame Grundprinzipien.

Otto (18:56 – 19:26):

Wie bereitet ihr euch auf den EU-AI-Act vor?

Verena (19:26 – 23:14):

Wir arbeiten juristisch und forschend daran. Transparenz ist zentral. Viele Diskussionen in der Medienbranche gehen über gesetzliche Vorgaben hinaus, was gut ist, weil Vertrauen wichtig bleibt.

 

Vertrauen und Deepfakes

Otto (23:18 – 23:48):

Wie kann KI helfen, Vertrauen zu schaffen?

Verena (23:51 – 25:10):

Vertrauen entsteht zwischen Menschen. Wir müssen transparent arbeiten und AI-Literacy stärken, intern und extern.

Otto (25:12 – 25:31):

Was macht die APA bei Deepfakes?

Verena (25:32 – 27:52):

Wir bleiben bei Originalinhalten und begleiten EU-Initiativen wie Watermarking. Gemeinsam mit dem AIT entwickeln wir Tools zur Deepfake-Erkennung.

 

Europäische Rolle der APA

Otto (27:52 – 28:44):

Welche Rolle soll die APA künftig in Europa spielen?

Verena (28:45 – 30:16):

Wir arbeiten im Trusted News Hub, im Media Data Space und im GATMO-Projekt mit. Unser Redaktionssystem FIRST soll auch international genutzt werden.

Otto (30:17 – 30:36):

Hättest du die Entwicklung vor 10–15 Jahren erwartet?

Verena (30:38 – 31:33):

Teilweise ja. Wir beschäftigen uns seit Jahren mit datengetriebenem Journalismus. Entwicklungen passieren nicht über Nacht.

Otto (31:34 – 32:16):

Danke Verena, ein spannender Einblick.

Verena (32:17 – 32:20):

Danke für die Einladung.


Mini-Glossar – Begriffe aus diesem Interview

Künstliche Intelligenz (KI)
Oberbegriff für Systeme, die Aufgaben übernehmen, für die normalerweise menschliche Intelligenz nötig wäre – etwa Mustererkennung, Textanalyse oder das Erzeugen von Inhalten.

Human-in-the-Loop
Ansatz, bei dem KI-Systeme den Menschen unterstützen, Entscheidungen aber von Menschen kontrolliert und verantwortet werden.

Deepfake
Mit Hilfe von KI manipulierte Bilder, Videos oder Audios, die täuschend echt wirken und Personen oder Ereignisse verfälscht darstellen können.

EU AI Act
Geplante EU-Verordnung, die den Einsatz von KI in Europa reguliert, Transparenz vorschreibt und bestimmte Anwendungen besonders streng einstuft.

Trusted AI
Vertrauenswürdige KI, die nach klaren Prinzipien wie Transparenz, Fairness und Nachvollziehbarkeit entwickelt und eingesetzt wird.

Datengetriebener Journalismus
Journalistische Arbeit, bei der Daten systematisch gesammelt, analysiert und visuell oder in Textform aufbereitet werden.

 

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