Einkaufsverhalten bietet Chancen für Handel und Marken

Wie verändert sich das Einkaufsverhalten in Europa – und welche Chancen ergeben sich daraus für den Handel und für Marken? Genau darüber sprechen Oliver Olschewski, Geschäftsführer von ShopFully, und Otto Koller, Herausgeber des MedienManager, in einem pointierten Video-Interview zur aktuellen Studie The State of Shopping 2024.

Die Untersuchung zeigt eindrucksvoll, wie stark Konsument:innen heute zwischen Online-Recherche und stationärem Einkauf wechseln, warum Angebote eine zentrale Rolle in der Kaufentscheidung spielen und welche Kategorien besonders vom „Hybrid Shopper“ geprägt sind. Spannende Insights aus acht europäischen Ländern – von Österreich und Deutschland bis Spanien, Italien und Osteuropa – liefern ein aktuelles Bild eines Marktes, der sich rasant weiterentwickelt.

Im Gespräch erläutert Oliver Olschewski, was Händler jetzt wissen müssen, wie sich Konsument:innen tatsächlich verhalten und welche Stellschrauben den größten Effekt auf Frequenz, Conversion und Warenkörbe haben. Ein Gespräch voller Praxisnähe, klarer Learnings und konkreter Impulse für alle, die Handel aktiv gestalten.

 

 

Studienübersicht:

 
 

Wichtigste Erkenntnisse

  • (02:20–03:01) – Österreich bleibt vergleichsweise optimistisch

    Trotz wirtschaftlicher Unsicherheit glauben 58 % der Österreicherinnen und Österreicher, dass sich ihre Kaufkraft verbessern wird. Im europäischen Vergleich ist das ein überdurchschnittlich optimistischer Wert.

  • (03:10–03:39) – Qualität ist in Österreich wichtiger als in vielen anderen Ländern

    Neben dem Preis spielt Qualität hierzulande eine besonders starke Rolle – stärker als etwa in Spanien oder Frankreich. Für heimische Händler ist das eine Chance, sich über Produkt- und Beratungsqualität zu differenzieren.

  • (03:32–03:56) – Aktionsgetriebenes Einkaufen nimmt weiter zu

    Bereits neun von zehn Konsument:innen kaufen heute aktionsgetrieben ein, 55 % wollen dieses Verhalten im nächsten Jahr noch verstärken. Preisaktionen und Angebotskommunikation werden damit zum Pflichtprogramm im Handel.

  • (04:16–04:52) – Drei Hauptgründe, warum Kund:innen in den lokalen Handel gehen

    • 68 % wollen Produkte vor Ort sehen, anfassen und ausprobieren.

    • 44 % erwarten Rabatte und Angebote im Geschäft.

    • 34 % nennen Service und Beratung als Hauptmotiv, ein Geschäft zu besuchen.

      Für KMU sind dies die zentralen Argumente in der Kommunikation.

  • (06:20–06:46) – Kundenservice im Laden ist ein stabiler Erfolgsfaktor

    Die Bedeutung von persönlicher Beratung und Service ist laut Studie stabil. KMU punkten hier, weil sie ihre Region, ihre Kundschaft und ihre Produkte besonders gut kennen.

  • (07:05–07:38) – Der Kunde unterscheidet nicht mehr zwischen online und offline

    Der hybride Konsument nutzt beide Welten selbstverständlich: Er recherchiert online und kauft dann je nach Situation online oder stationär. 86 % informieren sich vor dem Einkauf im Internet. Online-Präsenz ist damit für KMU keine Kür mehr, sondern Pflicht.

  • (09:47–11:06) – Frühere Erfahrungen und Online-Bewertungen sind kaufentscheidend

    In Österreich ist die frühere positive Erfahrung mit einem Händler einer der wichtigsten Gründe für Wiederkäufe. Gleichzeitig spielen Online-Bewertungen eine zentrale Rolle: Fehlen sie oder sind sie negativ, wirkt sich das unmittelbar auf die Geschäftswahl aus. KMU sollten aktiv um Bewertungen bitten.

  • (11:20–11:42) – „Der Österreicher ist nachtragend“ – im Positiven wie im Negativen

    Wer einmal schlecht behandelt wurde, kommt meist nicht wieder. Umgekehrt wird gute Erfahrung mit Loyalität belohnt. Service, Respekt und Verlässlichkeit sind in Österreich kaufentscheidende Faktoren, die auch den Preis relativieren können.

  • (12:24–13:18) – Hyperlokales Marketing statt Streuverlust

    Olschewski empfiehlt KMU, nicht „in Kanälen“, sondern hyperlokal zu denken: Alle verfügbaren Maßnahmen auf das unmittelbare Einzugsgebiet des Geschäfts zu fokussieren – wenige Straßenzüge, bestimmte Bezirke. So lassen sich mit geringem Budget sehr wirkungsvolle Kampagnen umsetzen.

  • (13:37–13:52) – Social Media als lokal steuerbares Werkzeug

    Plattformen wie TikTok und Instagram können sehr gezielt auf kleine geografische Räume ausgerichtet werden. Schon mit rund 100 Euro Budget lassen sich in einem definierten Umfeld relevante Zielgruppen erreichen – vorausgesetzt, die Aussteuerung ist konsequent lokal.

  • (15:25–16:21) – KI ist technisch weit, scheitert aber noch an der Nutzung

    KI kann bereits heute komplexe Aufgaben wie Einkaufsplanung, Rezeptvorschläge und Preisoptimierung übernehmen. Die Hürde liegt weniger in der Technologie, sondern in der Breitenakzeptanz und im Verständnis der Nutzer:innen. Hier sieht Olschewski große Chancen, aber auch ein deutliches Zeitfenster, in dem sich Vorreiter positionieren können.

  • (17:14–17:51) – Datenschutzbedenken treffen auf den Wunsch nach Relevanz

    Viele Menschen sind skeptisch beim Tracking ihres Verhaltens, möchten aber gleichzeitig keine irrelevante Werbung. Die Zukunft liegt laut Olschewski in wirklich relevanter, KI-gestützter Personalisierung, die spürbaren Mehrwert bietet, ohne das Vertrauen zu untergraben.

  • (18:55–19:24) – Konkreter Tipp: Bezahlen, ausprobieren, verstehen

    Sein pragmatischer Rat an KMU:

    • Bezahlte Version von ChatGPT nutzen,

    • ein paar Monate intensiv ausprobieren,

    • sich in die Rolle der eigenen Kund:innen versetzen.

      Wer versteht, wie Konsument:innen künftig suchen und planen, kann sein Angebot gezielt darauf ausrichten.

  • (20:06–20:18) – Schlusserkenntnis: Optimismus plus Kundenorientierung

    Wenn der österreichische Optimismus mit einem klaren Fokus auf die tatsächlichen Wünsche der Kund:innen – Preis, Qualität, Service, Einfachheit – verbunden wird, haben Handelsunternehmen gute Chancen, auch kommende Technologie- und Marktumbrüche erfolgreich zu bewältigen.


Kapitelübersicht

00:00–01:15 – Begrüßung, Vorstellung von Shopfully und der Studie „The State of Shopping 2024“

01:15–03:55 – Die drei Haupterkenntnisse der Studie: Optimismus, Qualität, Preis- und Aktionsorientierung

03:55–06:50 – Relevanz für KMU: Gründe, warum Kundinnen und Kunden in den stationären Handel gehen; Service als stabiler Erfolgsfaktor

06:50–09:30 – Der hybride Konsument und die Bedeutung von Online-Recherche für den stationären Handel

09:30–12:30 – Markenvertrauen, frühere Kauferfahrungen, Bewertungen im Internet und die besondere „Nachtragendheit“ des österreichischen Konsumenten

12:30–15:10 – Hyperlokales Marketing, effiziente Nutzung von Social-Media-Kanälen und lokalen Medien

15:10–19:30 – Künstliche Intelligenz: Anwendungsszenarien, Chancen, Datenschutzbedenken und Empfehlung zur aktiven Nutzung von KI-Tools

19:30–21:30 – Zusammenfassung, Handlungsempfehlung und optimistischer Ausblick für Werbetreibende, Marketing- und Medienverantwortliche

 


Interview: Otto Koller (MedienManager) mit Oliver Olschewski (Shopfully)

Otto Koller spricht mit ihm darüber, warum Qualität in Österreich einen besonders hohen Stellenwert hat, wie KMU vom hybriden Konsumenten profitieren können, welche Rolle Markenvertrauen und Bewertungen spielen und wie künstliche Intelligenz das Einkaufsverhalten verändert.

„Wer die Kombination aus Preisbewusstsein, Qualitätsanspruch und digitaler Recherche versteht, hat als Händler auch in schwierigen Zeiten eine echte Chance.“

– Oliver Olschewski

„Österreich ist optimistischer als viele andere Länder“

 

Otto Koller: Herr Olschewski, herzlich willkommen in der Medienmanager-Redaktion. Sie sind Geschäftsführer von Shopfully und Herausgeber der Studie „The State of Shopping 2024“. Stellen Sie sich unseren Leserinnen und Lesern bitte kurz vor.

Oliver Olschewski: Sehr gerne. Mein Name ist Oliver Olschewski, ich bin Geschäftsführer bei Shopfully und zuständig für alles, was Mittel- und Osteuropa betrifft. Unsere Aufgabe ist es, für den Handel Marketing zu machen – und zwar ganz explizit für den stationären Handel.

Das treibt uns an und motiviert uns auch, regelmäßig Studien durchzuführen. Wir wollen besser verstehen, wie die Menschen einkaufen, wie sich das Verhalten in den einzelnen Ländern und Regionen verändert und wie der Handel darauf reagieren kann.

„The State of Shopping“ erheben wir in neun europäischen Ländern und das jedes Jahr. So können wir Trends vergleichen, Entwicklungen beobachten und unseren Kundinnen und Kunden fundierte Insights zur Verfügung stellen.

Drei zentrale Erkenntnisse aus „The State of Shopping 2024“

Otto Koller: Studien sind heute wertvoller denn je – gerade bei dieser enormen Veränderungsdynamik im Markt. Welche drei Haupterkenntnisse haben Sie aus „The State of Shopping 2024“ mitgenommen?

Oliver Olschewski: Ich finde Studien generell spannend, weil sie helfen, den eigenen Bias auszuschalten. Man glaubt ja oft zu wissen, „wie die Leute ticken“, aber erst die Daten zeigen, wie es wirklich ist.

Zu den drei wichtigsten Erkenntnissen:

Erstens: Österreich ist im europäischen Vergleich relativ optimistisch, wenn es um die Frage geht: „Wird sich meine Kaufkraft verbessern?“ Das Niveau ist nach wie vor niedrig, aber 58 Prozent der Befragten glauben, dass sich ihre Situation verbessern wird. In anderen Ländern ist das deutlich pessimistischer. Ob wir als Österreicherinnen und Österreicher traditionell Optimisten sind, weiß ich nicht – aber in dieser Studie sticht Österreich positiv heraus.

Zweitens: Nicht überraschend ist der Preis eines der wichtigsten Kriterien beim Einkauf. Spannend ist aber, dass in Österreich Qualität einen besonders hohen Stellenwert hat – deutlich höher als etwa in Spanien oder Frankreich. Dort zählt die Qualität weniger, während sie hierzulande nach wie vor ein starkes Differenzierungsmerkmal ist.

Drittens: Die Kommunikation über den Preis wird immer wichtiger. Bereits neun von zehn Konsumentinnen und Konsumenten kaufen heute aktionsgetrieben ein. Und 55 Prozent sagen, dass sie im nächsten Jahr noch stärker auf Angebote achten wollen.

Wenn man diese drei Punkte zusammenfasst, ergibt sich ein klares Bild:

  • Der Ausblick ist vorsichtig optimistisch,

  • Qualität bleibt in Österreich wichtig,

  • und der Preis ist und bleibt der wichtigste Trigger.

Das sind, aus meiner Sicht, die Kernaussagen der Studie.

Was bedeutet das für KMU im stationären Handel?

Otto Koller: Wenn man das auf KMU herunterbricht, heißt das: günstiger Preis, hohe Qualität und gute Markenarbeit, um den Ruf zu schärfen – oder?

Oliver Olschewski: Für KMU ist entscheidend, dass sie sich auf genau jene Gründe konzentrieren, warum Menschen überhaupt in den lokalen Handel gehen. In der Studie sehen wir:

  • 68 Prozent gehen in den stationären Handel, weil sie Produkte ausprobieren, anfassen und „antatschen“ wollen.

  • 44 Prozent möchten Rabatte oder Angebote direkt im Geschäft erhalten.

  • 34 Prozent nennen den Service im Laden als Hauptmotivationsgrund.

Daraus lassen sich klare Kommunikationsschwerpunkte ableiten:

  • „Kommen Sie vorbei, Sie bekommen die Ware sofort.“

  • „Sie können die Produkte testen, spüren, erleben.“

  • „Sie profitieren von persönlicher Beratung und exklusiven Angeboten im Geschäft.“

Wer diese drei Punkte als KMU konsequent in seine Kommunikation einbaut, hat bereits viel richtig gemacht.

Kundenservice im Laden: Stabiler Wert – große Chance

Otto Koller: Bleiben wir beim stationären Handel. Sie haben gerade die 34 Prozent erwähnt, für die der Service im Laden entscheidend ist. Ist das ein stabiler Wert, auf den sich Unternehmer verlassen können?

Oliver Olschewski: Ja, das ist ein relativ stabiler Wert. Es geht nicht darum, dass 34 Prozent aller Einkäufe so ablaufen, sondern darum, dass für diesen Anteil der Befragten Kundenservice im Laden der Hauptgrund ist, überhaupt hinzugehen.

Wenn man das mit der hohen Bedeutung von Qualität in Österreich kombiniert, wird klar: Für mich umfasst Qualität nicht nur die Produktqualität, sondern auch die Beratungsqualität.

Gerade hier können KMU punkten:

  • Sie sind vor Ort,

  • sie kennen ihre Kundinnen und Kunden,

  • sie kennen die Region und

  • sie wissen wirklich alles über ihre Produkte.

Das bleibt wichtig – und die Daten zeigen, dass dieser Teil des Konsumentenverhaltens stabil ist. Für viele Händler ist das eine gute Nachricht.

Der hybride Konsument: Online recherchieren, offline kaufen

Otto Koller: In Ihrer Studie sprechen Sie vom „hybriden Konsumenten“. Was genau kann man darunter verstehen?

Oliver Olschewski: Hybride Konsumenten bedeuten, dass online und offline zusammengehören und vom Kunden nicht mehr strikt getrennt werden. Menschen unterscheiden in ihrem Kopf nicht mehr zwischen „online einkaufen“ und „stationär einkaufen“ – sie bewegen sich selbstverständlich zwischen beiden Welten.

Für KMU heißt das:

  • Online-Präsenz ist Pflicht. Man muss auffindbar sein.

  • Die Recherche findet zunehmend online statt.

Unsere Zahlen zeigen: 86 Prozent der Menschen recherchieren online, bevor sie einkaufen.

„Der Kunde ist hybrid: Er recherchiert online und entscheidet dann situativ, ob er online oder im Geschäft kauft.“

– Oliver Olschewski

Hybrid heißt also:

  • Mal wird online gekauft,

  • mal im stationären Handel.

Wer diese Realität ignoriert, verliert Anschluss. Wer sie annimmt, muss mit den Großen mitspielen – zumindest digital so weit, dass der Kunde das Angebot findet und versteht.

Die Hausaufgabe lautet:

  • Online auffindbar sein,

  • relevante Informationen bieten,

  • aber gleichzeitig die Stärken des stationären Handels – Erleben, Service, Verfügbarkeit – klar kommunizieren.

Die initiale Kaufanbahnung – die erste Idee, die Suche nach Produkten, Preisvergleiche – passiert in den allermeisten Fällen online. Der stationäre Handel kommt dann weiter unten im Sales Funnel ins Spiel.

Wie gut sind Österreichs KMU im Online-Marketing aufgestellt?

Otto Koller: Haben Sie ein Gefühl dafür, wie gut Österreichs KMU im Online-Marketing unterwegs sind?

Oliver Olschewski: Konkrete Zahlen habe ich dazu im Moment nicht vorliegen. Aber aus Erfahrung würde ich sagen: Da gibt es noch viel Luft nach oben.

Viele KMU machen das noch nicht wirklich gut – und genau darin liegt eine Chance für jene, die sich weiterentwickeln wollen. Wer jetzt investiert, sich professionell aufstellt und digitale Kanäle strategisch nutzt, kann sich sehr deutlich vom Mitbewerb abheben.

Am Ende des Tages gilt:

„Wer mitspielt, wird davon profitieren.“

Es lohnt sich, das eigene Marketing kritisch zu prüfen:

  • Sind wir online sichtbar?

  • Passen unsere Inhalte zum tatsächlichen Verhalten der Kundinnen und Kunden?

  • Nutzen wir die Kanäle wirklich konsequent – oder nur sporadisch?

Markenvertrauen: Warum der Österreicher „nachtragend“ ist

Otto Koller: Ein zentrales Thema in der Studie ist auch die Marke: Markenbildung, Markenvertrauen, Brand Experience. Gerade KMU vergleichen sich oft mit den ganz großen Playern. Haben kleinere Unternehmen da überhaupt eine Chance?

Oliver Olschewski: Ich bin überzeugt: Ja, die haben sie. Wenn Preis und Qualität einmal auf einem vernünftigen Niveau sind, kommt ein weiterer Faktor hinzu, den ich besonders spannend finde:

In Frankreich ist eine frühere positive Erfahrung mit einem Händler nicht so entscheidend. In Österreich hingegen ist das eines der wichtigsten Kriterien.

Das bedeutet:

  • Markenbildung,

  • langfristige Kundenbeziehung

  • und die Erinnerung an frühere Einkaufserlebnisse

spielen hier eine zentrale Rolle.

Der letzte Einkauf entscheidet stark darüber, ob und wie oft jemand wiederkommt. Und hier können KMU sogar besser sein als die Großen.

Hinzu kommt: Positive Bewertungen im Internet sind ein Schlüsselfaktor. Wenn ich ein Produkt recherchiere, vielleicht im stationären Geschäft kaufen möchte, aber online wenige oder schlechte Bewertungen zu einem Händler sehe, wirkt sich das massiv auf meine Entscheidung aus.

Für KMU heißt das:

  • aktiv um Bewertungen bitten,

  • Kundinnen und Kunden nach einem positiven Einkauf freundlich auffordern:

    „Wenn Sie zufrieden waren, bewerten Sie uns bitte.“

Man kann das im Geschäft sichtbar machen – etwa mit Aufstellern, QR-Codes oder kleinen Erinnerungen. Gute Online-Bewertungen sind heute das digitale Aushängeschild eines lokalen Händlers.

Otto Koller: Also ist der Österreicher ein bisschen nachtragend?

Oliver Olschewski: Man könnte es so formulieren, ja. Ich würde es jedoch positiv sehen: Er schätzt positive Erfahrungen sehr. Wenn er einmal gut behandelt wurde, ist er loyal. Wenn er einmal schlecht behandelt wurde, kommt er wahrscheinlich nicht wieder.

Das gilt im privaten Leben wie im Handel. Vertrauen, Servicequalität und respektvoller Umgang sind in Österreich besonders wichtig – und können den Preis in den Hintergrund treten lassen.

Hyperlokales Marketing statt Streuverlust

Otto Koller: Viele KMU haben keine großen Budgets und keine eigenen Marketingabteilungen. Sie reagieren eher, als dass sie strategisch agieren. Welche Kanäle sind aus Ihrer Sicht für KMU besonders wichtig?

Oliver Olschewski: Ich würde empfehlen, weniger in Kanälen zu denken und mehr in hyperlokalen Strategien.

Wenn meine Zielgruppe hauptsächlich im unmittelbaren Umfeld meines Geschäfts lebt – also im Ort, im Grätzl, in einigen Straßenzügen – dann ist genau dieser Raum mein Spielfeld.

Statt breit zu streuen, sollte man sich fragen:

  • Wie erreiche ich genau die Menschen, die tatsächlich in meinen Laden kommen können?

Das ist dann auch kosteneffizient.

Man kann zum Beispiel:

  • große Social-Media-Plattformen nutzen,

  • Aktionsplattformen bespielen,

  • lokale Medien einbinden,

aber immer mit einem klar abgegrenzten Radius. Wenn ich nur zwei, drei Straßenzüge oder einen definierbaren Bezirk bewerbe, kann ich mit vergleichsweise wenig Budget sehr wirkungsvoll werben.

Online-Kanäle lassen sich heute sehr gut regional und hyperlokal aussteuern.

„Nicht überlegen ‘Wie spiele ich mit den Großen mit?’, sondern: ‘Wie dominiere ich mein Viertel?’“

– Oliver Olschewski

Otto Koller: TikTok, Instagram und Co. sind für viele KMU eine Verführung, die nach hinten losgehen kann.

Oliver Olschewski: Nur dann, wenn man sie falsch nutzt. Gerade diese Plattformen sind hervorragend geeignet, hyperlokal zu arbeiten. Wichtig ist:

  • Die Kampagnen so aussteuern, dass sie nur dort sichtbar sind, wo Menschen tatsächlich eine realistische Chance haben, in mein Geschäft zu kommen.

Dann kann man bereits mit relativ kleinen Budgets – etwa mit 100 Euro – sinnvoll arbeiten und Reichweite im relevanten Einzugsgebiet aufbauen.

Die Jungen zeigen uns ja längst, wie das funktioniert:

  • Sie erzeugen Reichweite rund um ihre Themen,

  • ohne großen Plan,

  • aber mit viel Herzblut.

KMU können sich dieses Engagement abschauen – ergänzen müssen sie es um die lokale Relevanz.

Künstliche Intelligenz: Zwischen Hype, Datenschutz und echten Mehrwerten

Otto Koller: Kommen wir zum Thema Künstliche Intelligenz. KI verändert, wie wir einkaufen – von personalisierten Empfehlungen bis zu automatisierten Kampagnen. Welche Entwicklungen sind aus Ihrer Sicht besonders relevant für KMU?

Oliver Olschewski: Da beginnen meine Augen zu glänzen – darüber könnte ich stundenlang sprechen.

Wer KI-Tools wie ChatGPT bereits genutzt hat, weiß, wie weit die Technologie heute ist. Man kann zum Beispiel eingeben:

  • „Ich habe drei Kinder, bin Vegetarier, meine Tochter mag keine Tomaten, meine Frau keine Erbsen. Erstelle mir einen Wochenplan mit Rezepten und sag mir, wo ich alles am günstigsten einkaufen kann – inklusive Fahrtkosten.“

Solche Szenarien sind heute schon möglich und funktionieren erstaunlich gut.

Die Herausforderung liegt weniger in der Technologie als im Verständnis und in der Nutzung. Viele Systeme sind bereit, aber die breite Masse nutzt sie noch nicht konsequent. Ein Drittel der Menschen hat KI-Tools schon ausprobiert, aber wir sind von der flächendeckenden Nutzung noch weit entfernt.

Das ist Chance und Risiko zugleich:

  • Es entsteht ein neuer Technologie-Layer,

  • der nur dann sinnvoll nutzbar ist, wenn Unternehmen digital einigermaßen vorbereitet sind,

  • sprich: ein gutes Online-Angebot haben.

Es wird in Zukunft viele intelligente Anwendungen geben, die Konsumentinnen und Konsumenten komplexe Entscheidungen abnehmen. Ob das gut oder schlecht ist, kann jede und jeder für sich beurteilen – aber die Entwicklung ist nicht aufzuhalten.

Datenschutz und Akzeptanz:

  • Viele Menschen sind skeptisch, wenn es um Tracking ihres Einkaufsverhaltens geht.

  • Viele haben Bedenken, dass „irgendwer“ oder „eine KI“ genau weiß, was und wie oft sie etwas kaufen.

Gleichzeitig mögen Konsumentinnen und Konsumenten irrelevante Werbung nicht. Wenn ich kein Haus baue, brauche ich keine Zementmischmaschinen-Angebote.

Die Frage lautet also:

  • Will ich personalisierte Werbung, die wirklich relevant ist,

  • oder möchte ich Anonymität – und bekomme dafür viel Werbung, die mich nicht interessiert?

Wenn personalisierten Angeboten tatsächlich gelingt, das zu liefern, was Menschen wirklich brauchen, dann kann das ein echter Mehrwert sein – für Konsumentinnen und Konsumenten und für Händler.

Konkreter Tipp: KI selbst ausprobieren

Otto Koller: Normalerweise frage ich zum Schluss: „Was sollen unsere Leserinnen und Leser tun, um da hineinzukommen?“ Diesmal erspare ich mir die Frage – oder auch nicht. Was raten Sie KMU ganz konkret?

Oliver Olschewski: Mein wichtigster Tipp: Selbst nutzen.

  • Öffnen Sie ChatGPT,

  • investieren Sie in einen bezahlten Account (rund 20 Euro im Monat),

  • und probieren Sie selbst genau jene Dinge aus, die Ihre Kundinnen und Kunden möglicherweise tun würden.

Nur wer versteht, was diese Systeme können, kann einschätzen, wie Kundinnen und Kunden in Zukunft suchen, vergleichen und entscheiden.

Viele merken nach ein paar Monaten, dass sie das Abo gar nicht mehr kündigen möchten, weil es ihren Arbeitsalltag verändert.

Fragen Sie die KI doch einmal:

  • „Wie wachse ich als Unternehmer am besten in diese neue Welt hinein?“

Die Antworten können inspirierend sein. Umsetzen müssen Sie es aber selbst – das ist und bleibt eine sehr österreichische Herausforderung: nicht nur reden, sondern tun.

Optimismus nutzen – und ins Tun kommen

Otto Koller: Wenn Sie die Ergebnisse von „The State of Shopping 2024“ in einem Satz für Werbetreibende, Marketing- und Medienmanager zusammenfassen müssten: Was sollten sie unbedingt mitnehmen?

Oliver Olschewski: Ich würde es so zusammenfassen:

„Nehmen wir den Optimismus, den wir in Österreich haben, und kombinieren ihn mit dem, was die Käuferinnen und Käufer tatsächlich wollen – dann haben wir eine echte Chance, die kommenden technologischen Umbrüche gut zu meistern.“

Wer seine Zielgruppe versteht, hybrides Einkaufsverhalten akzeptiert, Qualität liefert, Service ernst nimmt und sich Schritt für Schritt auf KI vorbereitet, wird auch in anspruchsvollen Zeiten erfolgreich bleiben.

Otto Koller: Ein schöner Schlusspunkt. Ärmel hochkrempeln, mitmachen, in der eigenen Größenordnung aktiv werden und erleben, dass die neue Welt tatsächlich funktioniert – viele beweisen das ja bereits. Herr Olschewski, herzlichen Dank für das Gespräch.

 


Mini-Glossar – Begriffe aus diesem Interview

Stationärer Handel

Der klassische, physische Einzelhandel mit Filialen, Geschäften und Verkaufsflächen, in denen Kundinnen und Kunden Produkte vor Ort betrachten, ausprobieren und kaufen.

Hybrider Konsument / hybrides Einkaufsverhalten

Konsumentinnen und Konsumenten, die nahtlos zwischen Online- und Offline-Kanälen wechseln: Sie recherchieren häufig online, kaufen aber je nach Bedarf entweder im Internet oder im stationären Geschäft.

Sales Funnel

„Verkaufstrichter“ – Modell, das beschreibt, wie aus einer ersten Aufmerksamkeit (z. B. Online-Recherche) über verschiedene Stufen (Interesse, Vergleich, Entscheidung) ein tatsächlicher Kauf wird. Der stationäre Handel liegt dabei oft in den unteren Stufen des Funnels, wenn es zur konkreten Kaufentscheidung kommt.

Brand Awareness

Bekanntheitsgrad einer Marke. Beschreibt, in welchem Ausmaß eine Marke in den Köpfen der Zielgruppe präsent ist und mit bestimmten Eigenschaften (z. B. Qualität, Preis, Service) verbunden wird.

Markenbildung (Brand Building)

Langfristiger Aufbau und Pflege einer Marke, inklusive Positionierung, einheitlicher Kommunikation, visueller Gestaltung und Kundenerlebnissen. Ziel ist, Vertrauen und Wiedererkennung zu schaffen.

Hyperlokale Strategie / hyperlokales Marketing

Marketingansatz, der sich auf einen engen geografischen Raum konzentriert – etwa einzelne Straßenzüge, Bezirke oder Stadtteile. Ziel ist, genau jene Menschen zu erreichen, die realistisch das Geschäft vor Ort besuchen können.

Personalisierte Werbung

Werbung, die auf Basis von Daten (z. B. Interessen, Suchverhalten, Kaufhistorie) individualisiert ausgespielt wird, um möglichst relevante Angebote zu zeigen.

Künstliche Intelligenz (KI)

Technologien und Systeme, die Aufgaben ausführen, für die normalerweise menschliche Intelligenz erforderlich wäre – zum Beispiel Textgenerierung, Mustererkennung, Vorhersagen oder Empfehlungen. Im Handel u. a. für Produktvorschläge, Kampagnenoptimierung oder automatisierte Kundenkommunikation im Einsatz.

KI-gestützte Empfehlungen

Automatisch generierte Vorschläge für Produkte, Inhalte oder Aktionen, die auf dem Verhalten und den Präferenzen der Nutzer basieren – etwa „Kunden, die dieses Produkt gekauft haben, interessierten sich auch für…“.

Paid Account (z. B. bei ChatGPT)

Bezahlter Zugang zu einer Software oder einem Dienst, der zusätzliche Funktionen, bessere Performance oder aktuellere Modelle bietet als eine kostenlose Basisversion.

 

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