Medienexperte: Karikaturen legitim und notwendig

Nachdem das französische Satiremagazin „Charlie Hebdo“ ihre bekannten Mohammed-Karikaturen im September erneut veröffentlicht hatte, gab es in Europa mehrere islamistische Terroranschläge, zuletzt in Wien. Ob die Karikaturen tatsächlich der Auslöser für das aktuelle Attentat war, das sei derzeit nicht wirklich zu beurteilen, so der Medienexperte Fritz Hausjell. Klar ist für ihn aber, dass die Veröffentlichung solcher Karikaturen legitim und notwendig ist.

„Ich plädiere dafür, hier nicht zurückzuweichen“, sagte er im APA-Gespräch. Es sei fatal für eine demokratische Gesellschaft, sich hier den Mund verbieten zu lassen und die Freiheit des Wortes einzuschränken. Dass einzelne Vertreter innerhalb des Islams glauben würden, mit Terror antworten zu dürfen und zu müssen, sei ein entsetzlicher Zustand. „Das ist aber etwas, dessen wir uns bei der Verteidigung der Pressefreiheit (…) bewusst sein müssen“, so Hausjell. Die Freiheit sei nicht leicht zu erringen gewesen. „Das ist kein Plädoyer mutwillig zu provozieren, aber es ist ein Plädoyer dafür mutig diese Pressefreiheit zu verteidigen.“ Gleichzeitig erwarte er sich aber auch, dass die Sicherheitsapparate eines demokratischen Staates gefährdete Karikaturisten oder Publizisten schützen würden.

Ob die erneute Veröffentlichung der Karikaturen der Auslöser für den Anschlag mit mehreren Toten und Verletzten in Wien war oder ob es insgesamt zu einer Zuspitzung der Radikalisierung kam, darüber erlaubte sich der Medienexperte kein Urteil. Er nahm aber auch die österreichische Innenpolitik und die Medien in die Verantwortung: „Wir haben in der aktuellen Innenpolitik im Ressort, das für Integrationsfragen zuständig ist, doch sehr prononcierte Aussagen in Richtung des Islam oder der verschiedenen Islamströmungen in Österreich gehört und das könnte auch möglicherweise dazu beigetragen haben, dass es Formen von Radikalisierung gibt“, so Hausjell. Man könne also auch hier nach einem Auslöser suchen und nicht nur etwa in den Karikaturen. Es sei immer eine Gefahr, wenn sich in einer zugespitzten politischen Auseinandersetzung einzelne Gruppen zurückziehen würden, weil sie den Eindruck hätten, in der Gesellschaft ungewollt zu sein oder von der Mehrheit der Gesellschaft nicht respektiert zu werden.

Im Bereich der qualitätsorientierten Medien und der öffentlich-rechtlichen Medien sieht der Experte ein vermehrtes Bemühen, dem Thema Islam gerechter zu werden und ihn differenzierter darzustellen. In anderen Mediengattungen wiederum komme es zu einer Zuspitzung, die auch insbesondere im Rechtspopulismus und „der politischen Mitte, die in dieser Frage eher in den rechtspopulistischen Bereich abgedriftet ist“, zu beobachten sei. Das sei dann wiederum zum Teil in den Medien abgebildet. „Ich halte das in diesem Bereich vielleicht sogar für einen Rückschritt“, so Hausjell.

Auf die Problematik in den Medien müsse strukturell reagiert werden, etwa bei der personellen Zusammensetzung der Redaktionen: „Wir brauchen einfach insgesamt noch buntere Redaktionen“, so der Medienexperte. Je vielfältiger eine Redaktion sei, desto vielfältiger seien dann bereits innerhalb der Redaktion die Debatten. Um in Bezug auf den Islam die „interkulturelle Kompetenz“ innerhalb der Redaktionen zu erhöhen, sei es am einfachsten, wenn man sich Menschen hole, die selber im Islam Erfahrungen gesammelt hätten. Das werde in den Medien noch viel zu wenig genutzt.

Die einzige Antwort, die es laut Hausjell jetzt braucht, ist ein „aktiver Dialog der verschiedensten Kulturen dieses Landes über die Grundrechte, die es (…) zu verteidigen gilt“. Er sei überzeugt, dass es innerhalb des Islams durchaus sehr unterschiedliche Strömungen gebe und dass es daher Sinn mache, sich hier mit den einzelnen Vertretern aktiv auseinanderzusetzen: „Ich bin überzeugt, wir werden hier von sehr vielen Vertretern des Islam sehr klare Verteidigungen der Medienfreiheit bekommen“ und das wäre ein wichtiges Signal in Richtung derjenigen, die das Geschäft des Terrors letztlich betreiben würden. Das könne man nur durch eine breite Debatte tun, in der nicht der Islam als Feindbild abgestempelt werde. Denn die islamische Welt sei durchaus zugänglich auch für eine „radikale Kritik in Form der Satire“, betont der Professor der Universität Wien.

Bei dem Anschlag in Wien am Montagabend kamen vier Menschen ums Leben, 22 Personen wurden teils schwer verletzt. Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) reklamierte den Anschlag am Dienstagabend für sich. Der Attentäter, ein vorbestrafter Islamist, wurde von der Polizei erschossen.