ORF-„Sommergespräche“ versuchen heuer „neuen Mix“
Viel ist neu bei den ORF-„Sommergesprächen“, die am kommenden Montag starten. Mit Nadja Bernhard und Hans Bürger stellt ein ORF-Journalistenduo die Fragen. Die Gäste sind entweder zum ersten Mal da oder in neuen politischen Rollen. Inhaltlich plant man einen Blick über den heimischen Tellerrand: Ein „neuer Mix“ soll auch EU- und internationale Themen bieten, erklären die beiden im APA-Interview.
Peter Pilz macht am 13. August den Auftakt, es ist seine Premiere bei den „Sommergesprächen“, ebenso wie für die künftige NEOS-Frontfrau Beate Meinl-Reisinger am 20. August. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache tritt erstmals als Vizekanzler zum sommerlichen Interview an, SPÖ-Obmann Christian Kern zum ersten Mal als Oppositionspolitiker. Und Sebastian Kurz (ÖVP) war vor einem Jahr auch noch nicht Bundeskanzler. Als Kulisse hat der ORF heuer ein Wachauer Weingut gewählt.
Aber was soll sich, abgesehen von der Location, heuer sonst so ändern? Zwang zur Erneuerung sieht ORF-TV-Innenpolitikchef Bürger nicht. „Die ‚Sommergespräche‘ sind Tradition in der österreichischen Fernsehgeschichte. Sie sind ein Fixpunkt, und die Erwartung, dass sie sich komplett ändern, besteht nicht. Wir wollen das Rad nicht neu erfinden.“
Doch die aktuelle EU-Ratspräsidentschaft Österreichs biete einen Anlass für „eine inhaltliche Breite, wie man sie vielleicht in den letzten Jahren nicht gesehen hat“, meint Bürger. Bernhards Expertise als langjährige Außenpolitik-Journalistin wolle man dafür nutzen. Zudem sei die Reihe in den vergangenen Jahren oft in „aufgeheizten Situationen“ – Wahlkampf oder die Flüchtlingskrise etwa – über die Bühne gegangen. Nun sehen die Interviewer eine Chance auf „Entschleunigung und eine Meta-Ebene“.
Dass ein Gespräch über EU-Themen auf einer zu abstrakten Ebene ablaufen könnte, fürchten weder Bernhard noch Bürger. „Über Europa wird so viel diskutiert wie seit Jahren nicht“, meint letzterer. „Die EU ist in einem Zustand, wo es wirklich um alles geht. So gesehen muss man gar nichts alles auf konkrete Themen wie vielleicht Gurken herunterbrechen. Es geht darum: Findet man ein Rezept, die großen Themen innerhalb der EU zu behandeln?“ Bernhard will einen abstrakten Zugang vermeiden und den Zusehern ein Gefühl für die Auswirkungen der europäischen Politik auf ihren Alltag vermitteln. Ein Erfolg ist für die ZiB-Anchorwoman daher auch ein Sommergespräch, „nach dem das Publikum das Gefühl hat, etwas Neues gehört und gesehen zu haben“.
Das Publikum kommt auch selbst zu Wort: Im Vorfeld rief der ORF zu Kurzvideos auf, in denen die Zuschauer ihre persönliche Meinung zu den prominenten Gästen darlegen. Fünf bis sieben dieser Statements sollen pro Sendung zu sehen sein.
Und wie schwierig wird es werden, konkrete Antworten der Politiker zu erhalten? Gerade die amtierende Regierung muss sich derzeit Kritik an Überinszenierung und „Message Control“ anhören. Die Gefahr, mit Floskeln abgespeist zu werden, ist nach Bürgers Ansicht vor allem „durch neue Fragen“ zu umschiffen. „Nicht nur die Politiker sind übertrainiert“, ortet er eine gewisse Gleichförmigkeit in der innenpolitischen Berichterstattung aller Medien, die jede Menge Sommerinterviews zu ähnlichen Themen führten.
Bernhard plädiert dafür, „das Publikum nicht zu unterschätzen“. Aus Interviewerinnensicht hat sie den „Anspruch, ein Gespräch zu führen“. Werde dieses Angebot vom Gegenüber nicht angenommen, würden das die Zuseher genau registrieren.