Pandora Papers enthüllen Geschäfte hunderter Politiker
Die „Pandora Papers“ enthüllen nach Angaben eines internationalen Recherchenetzwerkes die heimlichen Geschäfte hunderter Politiker und Unternehmen mit Briefkastenfirmen. Das International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) veröffentlichte am Sonntag einen Teil der Rechercheergebnisse zur Verstrickung von mehr als 330 Politikern und Amtsträgern aus 91 Ländern wie etwa Tschechiens Premier Andrej Babis oder des britischen Ex-Premiers Tony Blair in Offshore-Geschäfte.
An der Auswertung der sogenannten Pandora Papers waren rund 600 Journalisten in 117 Ländern beteiligt, in Österreich der „ORF“ und das Nachrichtenmagazin „profil“. Nach Angaben des ICIJ wurden 11,9 Millionen geleakte Dokumente ausgewertet, „die jeden Winkel der Welt abdecken“. Nach Angaben der Medien stammen die Daten – insgesamt knapp drei Terabyte – von 14 Unternehmen, die Offshore-Konstrukte anbieten.
Die Dokumente führen auch nach Österreich. Laut „profil“ und ORF konnten insgesamt rund 160 Österreicherinnen und Österreicher identifiziert werden, die in der Vergangenheit Offshore-Services in Anspruch genommen haben – allerdings keine Politiker, dafür aber „mehrere Unternehmerpersönlichkeiten“, berichtete das „profil“. „Die Pandora Papers benennen darüber hinaus Hunderte von Spitzenbeamten, Richtern, Geheimdienstlern, Kommunalpolitikern, Sportgrößen und Celebrities. Und schließlich führen die Dokumente auch zu Mafia-Clans, Drogenbaronen, Waffenschiebern, Rotlichtgrößen, Glücksspielhasardeuren und Anlagebetrügern.“
Einem Politiker schaden die Enthüllungen derzeit ganz besonders: dem tschechischen Premier Babis, der sich am kommenden Wochenende der Wiederwahl stellt. Seine Partei ANO führt in Umfragen bisher ganz klar. Noch vor seiner Zeit als Politiker soll Babis laut „Pandora Papers“ weitgehend anonym – über komplexe Offshore-Konstruktionen unter anderem ein schlossartiges Anwesen in Südfrankreich für mehr als 15 Millionen Euro erstanden haben. Diese Besitztümer deklarierte er bei seinem Eintritt in die Politik nicht, obwohl das tschechische Gesetz dies verlangt.
In einer ersten Reaktion erklärte Babis am Sonntagabend gegenüber der tschechischen Nachrichtenagentur CTK, er habe nichts Ungesetzliches getan, der Bericht sei lediglich ein Versuch, ihn zu diskreditieren und die Wahl zu beeinflussen. Das Schloss an der Côte d’Azur ist nicht die erste Immobilie, die Babis in Erklärungsnotstand bringt. Seit Jahren laufen Ermittlungen der EU und der tschechischen Polizei in der „Storchennest-Affäre“.
Auch etwa der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, zahlreiche Vertraute des russischen Präsidenten Wladimir Putin, Jordaniens König Abdullah II. und viele Prominente wie etwa das Model Claudia Schiffer, Shakira, Ringo Starr, Julio Iglesias oder Elton John sind oder waren laut den an den Recherchen zu den „Pandora Papers“ beteiligten Medien Kunden bei Offshore-Firmen. Der Präsident von Zypern, Nikos Anastasiadis, war demnach selbst aktiv im Offshore-Geschäft tätig mit seiner Kanzlei, die mittlerweile von seinen Töchtern geführt wird.
In Österreich geben die „Pandora Papers“ unter anderem Hinweise auf die verschlungenen Finanzkonstruktionen rund um ein Tourismusprojekt in Montenegro, das den österreichischen Steuerzahlern möglicherweise einige Millionen Euro gekostet hat. Konkret geht es um „Bigova Bay“ in Montenegro, das die notverstaatlichte Kärntner Hypo Alpe-Adria finanziert hatte.
Mit der Verstaatlichung der Pleite-Bank ging die offene Forderung auf die Abbaugesellschaft HETA über. 44 Mio. Euro standen schließlich zu Buche, berichtet das „profil“. Die HETA zeigte sich demnach zuversichtlich, dieses Geld auch wiederzusehen, schließlich hatte 2013 der österreichische Milliardär Martin Schlaff mit seinem Unternehmensnetzwerk das Projekt übernommen. Doch am Ende erhielt die HETA, und damit die Republik, laut dem Bericht nur rund 13 Mio. Euro. Von der HETA hieß es zum „profil“, das gesamte Projekt habe sich „aufgrund einer Vielzahl rechtlicher und faktischer Problemstellungen“ als „wesentlich komplexer dargestellt, als Ihre Darstellung dies vermuten lässt“. Mit dem Forderungsverkauf habe man zu diesem Zeitpunkt den „bestmöglich erzielbaren Preis“ erzielt.
In Großbritannien werden der britische Ex-Premierminister Tony Blair und seine Ehefrau Cherie beschuldigt, beim Kauf einer Immobilie von einem Steuerschlupfloch profitiert zu haben Das Paar soll zwar nicht illegal gehandelt haben, wie der Sender BBC am Sonntagabend berichtete. Doch äußerte sich Blair wiederholt kritisch über Steuerschlupflöcher.
Es geht um ein Gebäude in London, das die Blairs 2017 für 6,45 Millionen Pfund (heute 7,5 Mio. Euro) erwarben. Es ist heute Sitz von Cherie Blairs Rechtsberatung sowie ihrer Stiftung. Vorheriger Besitzer war demnach eine Offshore-Firma, die auf den Britischen Jungferninseln registriert war. Die Blairs gründeten ein Unternehmen, das die Offshore-Firma aufkaufte. Das bedeutete, dass sie ein Unternehmen erwarben und keine Immobilie – daher fiel keine Grunderwerbsteuer an, die 312.000 Pfund betragen hätte. Die übernommene Offshore-Firma wurde anschließend aufgelöst.
Dem ICIJ wurden die Dokumente eigenen Angaben zufolge von einer anonymen Quelle zugespielt. Die geheimen Dokumente von 14 in Steueroasen tätigen Finanzdienstleistern reichen über fünf Jahrzehnte bis ins Jahr 2021, wobei die meisten zwischen 1996 und 2020 erstellt wurden. Die „Pandora Papers“ seien damit das bisher größte Datenleck zu Geschäften in Steueroasen. Sie enthalten Informationen über mehr als 29.000 Eigentümer von Offshore-Vermögenswerten. Das sind doppelt so viele wie bei den Panama-Papers.
Die Regierung von Panama hatte bereits vor der Veröffentlichung der Pandora Papers vor schweren Schäden für das Image des Landes wie infolge der Panama Papers 2016 gewarnt. Damals hatte ein anonymer Whistleblower der „Süddeutschen Zeitung“ mehr als elf Millionen interne Dokumente der panamaischen Kanzlei Mossack Fonseca zugespielt. Eine Auswertung in Zusammenarbeit mit dem ICIJ enthüllte ein ausgeklügeltes System zur globalen Steuervermeidung.
Nach der Veröffentlichung mussten etliche Politiker – darunter der damalige isländische Regierungschef Sigmundur Gunnlaugsson und der pakistanische Premierminister Nawaz Sharif – von ihren Ämtern zurücktreten. Weltweit wurden tausende Ermittlungsverfahren eingeleitet.
Der internationalen Medien zugespielte Datenberg zeigte damals große Geldströme nach Panama, wo Tausende Briefkastenfirmen angesiedelt sind. Ob es sich dabei auch um strafbare Geschäfte handelt, prüften weltweit Staatsanwälte. Die 11,5 Millionen Dateien umfassten E-Mails, Urkunden und Kontoauszüge zu 214.000 Gesellschaften vor allem in der Karibik. Dabei tauchten die Namen von 140 Politikern oder Politikervertrauten auf.