ESG und die DNA der nachhaltigen Medienproduktion

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Die nachhaltige Transformation basiert auf historischen und regulatorischen Kaskaden, die auch das Fundament der nachhaltigen Medienproduktion bilden – sie umfasst einen internationalen Rahmen, der über Jahrzehnte organisch in globalen, demokratischen Prozessen gewachsen ist: Viele Prozess entstanden in Kooperation zwischen Industrie und Legislative. Sie sollen fair, nachhaltig, zukunftsfähig, rentabel und universell integrationsfähig sein, etwa der ESG-Mechanismus. So schön das klingt: Es gibt Kritik. Manche dürften berechtigt sein.
„Meine Güte, ist das ein Tohuwabohu“, so eine Geschäftsführerin eines Druck- und Mediendienstleisters. In dem Video-Meeting ging es um die Frage, was sich nach der Verschiebung der EUDR (European Deforestation Regulation, EU-Verordnung über entwaldungsfreie Lieferketten)1) um ein Jahr verändert hat. Die EU-Directive soll nun Ende 2025 gültig sein. Doch bei Verantwortlichen in Agenturen oder bei Druckereien herrscht noch Verunsicherung.
Noch vor einigen Wochen war die Kritik aus der Wirtschaft unüberhörbar: Die Richtlinie würde aufgeweicht oder Menschenrechte geopfert, hieß es einerseits u. a. auf LinkedIn vonseiten großer umweltorientierter Verbände. Konträr dazu echauffierten sich Wirtschaftsverbände, dass diese Richtlinie noch mehr vereinfacht werden müsste. Das Ende vom Lied: Geändert hat sich zum Status 2024 nichts. Viel Lärm also um nichts!
Sicher ist, dass nichts sicher ist?
Mediendienstleister, die professionell nachhaltig produzieren und dienstleisten, stellen sich verschiedenen internationalen Statuten der nachhaltigen Transformation. Das ist zwar Aufwand, aber nicht derart schwierig, wie es vonseiten bestimmter Industrielobbys gern gezeichnet wird. In der Druckbranche sind es auch kleine und mittelständische Unternehmen, die sich den regionalen Anforderungen, aber auch internationalen Standards wie EMAS stellen – zum Beispiel die im österreichischen Heidenreichstein ansässige Druckerei Janetschek, ein Familienunternehmen mit etwa 50 Mitarbeitenden.
Doch aktuell stellen sich neben den von der EUDR betroffenen Druckereien auch Produktions- oder Kreativagenturen die Frage, inwieweit sie selbst auch betroffen sind. Muss berichtet werden? Wenn ja, wie? Oder genügt eine EUDR-Konformitätserklärung des Druckdienstleisters? Aktuell werden Details in den betroffenen Branchen ventiliert, besonders mit Blick auf administrative Lösungen. Die endgültigen Empfehlungen bezüglich der Administration liegen noch nicht vollständig vor – wir berichten in der folgenden Ausgabe.
Generell ist es bedauerlich, dass in der DACH-Region nur etwa 4 Prozent aller Druckereien nach dem UmDEX-Standard produzieren – Greenwashing ist in der Medienwelt äußerst präsent, auch bei Agenturen gerade mit Blick auf KI.
So unsicher geht es weiter: Gerade wurde die Green Claim Directive2) gecancelt: Politische Uneinigkeit, Bedenken hinsichtlich Bürokratie und die Frage, ob auch Kleinstunternehmen betroffen sein sollen, haben zum vorläufigen Stopp der Direktive geführt. Ob und wie die Green Claims Directive kommt, bleibt offen, doch immerhin: In Deutschland gelten bereits seit Jahren strenge nationale Regelungen gegen irreführende Umweltwerbung. Zudem bringt die Empowering Consumers Directive3) neue EU-weite Vorgaben, die Unternehmen beachten müssen. Doch die Green Claim Direktive hätte auch Mediendienstleister wie Janetschek effektiver vor Greenwashing geschützt – nach wie vor ein Thema leider auch in der Druckbranche.

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Wie chaotisch darf oder muss Demokratie sein
Polarisierung, Alarmismus, Click Baiting, Framings: In der zumeist von Social Media-Formaten dominierten Medienwelt geht es um Likes und Follower – oft leider weniger darum, sachlich und zielführend zu informieren. Es bräuchte mehr Realismus in den Bubbles. Doch in der Mitte zwischen den polarisierten Meinungen stehen Interessierte recht isoliert da. Expert:innen werden ohne „Aufreger-Headlines“ schnell unsichtbar. Das Fachliche gerät häufig unter die Räder – und normale, demokratische Findungsprozesse und kontroverse Diskussionen werden aufgeregt als Chaos deklariert.
Alarmistische Posts boostern
Aufmerksamkeit und Reaktionen.
Nicht nur Populist:innen, sondern auch Verbände und Interessenvertretungen erhalten ihre Mitgliedsbeiträge für die Vertretung bestimmter Doktrinen – die längst nicht immer plausibel sind. Verbände für die nachhaltige Wirtschaft äußern sich zumeist „entsetzt“, wenn bestimmte EU-Regularien abgeschwächt werden sollen. Zugleich kritisieren Wirtschaftsverbände aller Couleur gebetsmühlenartig zu viel Bürokratismus oder fordern nicht selten die vollständige Abschaffung bestimmter Regelungen, natürlich unter Applaus ihrer Mitglieder.
NABU, Greenpeace oder der WWF vertreten eine
gänzlich andere Klientel als Wirtschaftsverbände.
Neben dieser tendenziellen Berichterstattung, die oft eher wie Werbung klingt, wird ein fachlicher Informationsbedarf von Populist:innen und Lobbyist:innen erschwert. Da wird aus dem Faktum eines anthropogenen Treibhauseffektes (Klimawandel), kurzerhand ein „Klimagedöns“. Und Lobbys, besonders aus den fossilen oder landwirtschaftlichen Industrien, prägen immer neue Schimpfwörter gegen die Gesetzgeber, etwa: „Ökodiktatur“. Als wäre die Unordnung nicht schon groß genug, stimmen auch noch diverse, teils autokratische Regierungen in den Chor ein, müssen sie doch z. B., wie Donald Trump, gigantische Wahlspenden an entsprechende Bedarfsgruppen zurückzahlen.
ESG: Nachhaltige Resilienz first, Rendite second
In den USA wird auch der ESG-Mechanismus (Environmental, Social Governance), also die unternehmerische Fokussierung auf Umwelt und Soziales bei der Unternehmensführung, seit einiger Zeit heftig kritisiert. ESG formuliert Kriterien, die herangezogen werden, um die Nachhaltigkeit und ethische Praxis von Unternehmen zu bewerten – besonders Banken und mächtige Investmentfonds investieren entlang dieser Maßstäbe.
„ESG“ ist wie ein imaginäres Dach, das viele internationale Prozesse, Normen und Standards bezeichnet. ESG ist kein Gesetz und keine Norm, korrespondiert aber in der EU mit der EU-Taxonomie, einem Klassifizierungssystem der EU, das wirtschaftlich nachhaltige Aktivitäten klassifiziert.
Kritiker monieren, dass bestimmten Unternehmungen der Zugang zu Kapital verwehrt wird. Doch diese Kritik ist paradox, denn das betrifft nur solche Unternehmungen, die dem Allgemeinwohl (Umwelt, Soziales) gar nicht oder nur bedingt dienen: Das betrifft etwa gewisse Produkten von Rüstungskonzernen, das Fracking nach Öl, Investitionen in Produkte bzw. Anlagen für die Massentierhaltung, das Fast-Fashion-Segment und so weiter etc. Diese und weitere Unternehmungen sind zwar oft sehr profitabel,
- schaden aber den jeweiligen Volkswirtschaften,
- wirken gegen die Normalisierung beim Klimawandel und
- basieren sehr häufig auf Kinderarbeit und Ausbeutung.
Statt einer sachlichen Reflexion, warum Kapital ohne einen ESG-Filter weiterhin zumeist nach Kriterien der Rendite, nicht aber basierend auf nachhaltigen Resilienzen investiert würde, inszenieren Industrie-Lobbys eine andere Wahrheit. Darin werden die Täter, also ihre eigenen uneinsichtigen Kunden, zu Opfern: Mit großen Budgets werden immer wieder Begriffe wie „Ökodiktatur“ oder „Bürokratiemonster“ in den Medien ventiliert. Das kommt oft gut an, wünschen sich doch alle weniger Regulierung und Bürokratie.
Wokeness kontra Augenmaß
Tatsächlich bestreitet kaum noch einer, dass der Regulierungseifer auch in der EU Überhand genommen hat – auch in der Medienbranche.
Das wird besonders gut bei branchenneutralen Regulierungen deutlich: Anstelle z. B. das Gendern als empfohlene Option anzubieten, folgten weitreichende Pflichten. Anstelle bei der Geschlechtlichkeit auf Toleranz hinzuarbeiten, wenn sich ein Mensch in seinem Geschlecht nicht geborgen fühlt, wurde kurzerhand ein drittes Geschlecht mit „Divers“ kreiert. Damit wurde eine biologische Umwandlung, die längst anerkannt war, egalisiert – jetzt reicht schon der Gang zur Gemeinde – Geschlechtsumwandlung to go.
Durch zu viel Wokeness entstanden
neue, wohl weitreichendere Ungerechtigkeiten,
etwa, wenn ein biologischer Mann im Frauensport Vorteile genießen will oder sein Recht auf die Frauensauna einfordert. Das alles geschah ohne Handlungsdruck, aus einer EU heraus, die nie zuvor in ihrer Geschichte so tolerant war wie heute. Gerade dadurch entstanden „antiwoke“ Allianzen. Populisten haben gute Chancen, in den nächsten Bundestag einzuziehen.

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Auch bei der Regulierung der Wirtschaft im Umfeld der nachhaltigen Transformation gab es diverse Verwerfungen, z. B. beim Handel mit sogenannten regulierten oder unregulierten Klimaschutzzertifikaten, wo u. a. Waldbesitzer gefördert wurden, nur weil diese damit drohten, ihre Wälder ohne Ausgleichszahlungen für Bauprojekte zu roden. Auch hier läuft die Legislative Gefahr, wesentliche Befürworter des ESG-Mechanismus und des regulierenden Green (nachhaltigen Transformation) zu verlieren.
Es ist nicht immer für alle Beteiligten einfach, zu verstehen, welche Regulierungen richtungsweisend und vernünftig sind, denn das hängt von den Perspektive jeweiliger Branche ab:
Einig sind sich alle zumindest darin,
dass Regulierungen generell nerven.
Exemplarisch noch ein branchenneutrales Beispiel: Ob Begriffe wie das sog. N-Wort oder das Zigeuner-Schnitzel hätte verboten werden müssen, ist jedoch zu recht umstritten, denn bei tieferer Recherche erschließen sich hier plausible Gründe.
Regulatorische Erfolgsgeschichten
Dass Regelungen, die je nach Betroffenheit als Bevormundung beschimpft wurden, dennoch oft richtig und wichtig waren, zeigen exemplarisch die folgenden Gesetze:
- Frauenrechte – Frauen in Deutschland haben erst seit 1977 das Recht zur freien Berufswahl ohne Zustimmung ihres Ehemannes – es war noch bis weit in die 80er-Jahre verpönt, wenn Ehefrauen trotzdem selbstbestimmt arbeiten wollten.
- Autofahren im Rausch – vor 1973 war Autofahren mit 1,5 Promille legal, trotz zehntausender Verkehrstoten. Die Alkohol-Lobby konnte das Gesetz, das seit den 1950er diskutiert wurde, lange Zeit verhindern.
- Rauchverbot in Gaststätten und Öffis – ungeachtet, ob Kleinkinder in der Nähe waren, wurde das Verbot erst 2007 schrittweise eingeführt. Auch das gilt als Meisterstück des Lobbyismus.
- Weitere Regulierungen waren diverse Abgas- oder Wasserschutzverordnungen oder das Verbot wilder Mülldeponien – das wurde erst 1972 schrittweise durch das Abfallbeseitigungsgesetz verboten. Vorher gab es Tausende Deponien in Deutschland, die das Grundwasser bis heute massiv belasten.
Würden alle Wirtschaftsunternehmen fair und nachhaltig
wirtschaften, bräuchte es gar keine Regulierungen.
Doch das tun sie nicht.
Rückblickend haben sich das soziale Miteinander und die Umwelt in Deutschland sichtbar verbessert. Smog in Deutschlands und Österreichs Innenstädten, tote Flüsse, der saure Regen oder das Ozonloch sind heutzutage kein großes Thema mehr. Die laute Kritik an diesen und weiteren Regularien ist verstummt. Aktuelle Themen sind Menschenrechte, auf die auch u. a. die EUDR einzahlt, Artensterben, Klimawandel, Armuts- und Klima-Migration, Überfischung und der wachsende Populismus in den USA und der EU: Dieser blüht aufgrund der steigenden Aufwände, um eine fairere und nachhaltigere Welt zu gestalten, auf – auch, weil es nicht verboten ist, Versprechungen zu machen, auch, wenn diese nicht umsetzbar sind.
Historie: Die nachhaltige Transformation als
Mutter der nachhaltigen Medienproduktion
Quasi alle wichtigen Labels oder Zertifizierungsprozesse der Medien-Industrie stehen in Verbindung bzw. im Einklang mit internationalen Standards, denken wir nur an ISO-Normen, an GRI4) (Global Reporting Initiative) oder das GHG Protocol5) (Greenhouse Gas Protocol). Auch der nur in Deutschland gültige Blaue Engel für Druckprodukte, DE-UZ 195, ist international kategorisierbar – als Typ-1-Umweltzeichen, geregelt nach DIN EN ISO 140246). All diese und weitere Standards wurden auch unter Beteiligung von Industrieverbänden oder Think Tanks entwickelt, die aus der Wirtschaft heraus begründet wurden. Generelle Etikettierungen wie „die böse Industrie” oder „die gute NGO” stimmen manchmal, sind aber oft auch grob verallgemeinernd. Die Beteiligung der Wirtschaft ist nicht nur unvermeidbar, sondern Praxis – im Grunde schon seit Hunderten von Jahren.
Mit Blick auf die Historie der nachhaltigen Transformation wird deutlich, dass es in den 70er- und 80er-Jahren der Industrie selbst bewusst wurde, dass der Status quo dramatisch war. Nicht nur in Deutschland waren die Folgen der Umweltverschmutzung unübersehbar, auch in den USA – dort dokumentiert durch die seinerzeit selbst von der konservativen Nixon-Regierung geförderten Fotodokumentation „Documerica“, ein von der US-Umweltbehörde EPA initiiertes Fotoprojekt von 1972 bis 1977.
ESG-Konformität als plausible Schlussfolgerung im internationalen Maßstab
Die heutige Headline für verantwortungsvolles Wirtschaften wurde erst im Jahr 2004 offiziell im UN Bericht „Who Cares Wins“ verwendet – obgleich die Idee hinter dem Mechanismus schon seit über 50 Jahren international profiliert und fortlaufend optimiert wurde. Dieser UN-Bericht war eine Initiative von Finanzinstituten,
mit der Absicht, die Vergabe von Liquidität und
unternehmerische Verantwortung zu verbinden.
Der ESG-Mechanismus fand erst viel später Einzug in vielen nationalen Gesetzen verschiedener Wirtschaftsräume: in den USA, in der EU oder in Ländern wie Kanada, Deutschland, Großbritannien, Australien, Japan und so weiter – mittlerweile hat dieses Konzept alle Stufen nationaler Gesetzgebungen erreicht.

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ESG basiert auf wirtschaftlich-politischen
Initiativen aus den 1970er- bis 1990er-Jahren.
- Der Club of Rome hat schon im Jahr 1972 eindringlich vor den zu erwartenden Folgen der Fossilisierung und vor übermäßigen Rohstoffentnahmen in seinem legendären Bericht „The Limits to Growth“ gewarnt. U. a. die Münchener Rückversicherung offenbart in ihren aktuellen Schadensbilanzen unmissverständlich, dass sich viele Warnungen mit Blick auf die Folgen der Erderwärmung bestätigt haben. Die exponentiell steigenden Kosten durch klimabedingte, extreme Wetterereignisse werden vergemeinschaftet – die Gewinne privatisiert.
- Das Greenhouse Gas Protocol (GHG-Protocol), ein weltweit angewendeter Standard zur Messung und Verwaltung von Treibhausgasemissionen, wurde 1990 aufgrund der Notwendigkeit eines einheitlichen Rahmens für die Berichterstattung eingeführt, wiederum unter Beteiligung von Industrieunternehmen.
- Die Global Reporting Initiative (GRI) wurde in Anlehnung daran 1997 in Boston gegründet. GRI ist ein international gängiger Rahmen bzw. eine Anleitung für die nachhaltige Berichterstattung. 2010 entstand eine Alternative, ein Rahmenwerk des DNK (Deutscher Nachhaltigkeitskodex). Die Nachhaltigkeitsberichterstattung ist generell kein Teufelszeug. Klar definierte Frameworks zeigen Unternehmen, wie sie über ihre eigene nachhaltige Transformation im Sinne der Ziele und Erfolge und in welcher Priorität berichten sollten, um die Prüfungsprozesse durch autorisierte Auditor:innen zu vereinheitlichen.
- Der European Green Deal hat sich 2019 erst viel später konstituiert, abgesehen von einigen Maßnahmen, etwa der Vertrag von Maastricht, der die nachhaltige Entwicklung als Ziel der EU verankert oder der Vertrag von Amsterdam 1997, der die Einbeziehung des Umweltschutzes in alle Politikbereiche regelte. Der Green Deal ist also kein grünes Hirngespinst und auch keine Ökodiktatur. Die meisten Direktiven entstanden unter konservativer Führung.
Die CDU hat mehr Direktiven begründet als die Grünen, schlichtweg aus der Notwendigkeit zum Handeln heraus.

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ESG: Zielsetzung
Der Profit allein soll nicht länger das entscheidende Kriterium für die Vergabe von Liquidität sein – weil die Folgekosten nicht durch die Verursacher getragen werden. Gemäß dieser zentralen Absicht ermitteln Ratingagenturen auf Basis vorgenannter, standardisierter Nachhaltigkeitsberichte, wiederum auf Basis internationaler Standards (= KPIs), die nachhaltigen Resilienzen entsprechender Unternehmen. So entstehen Entscheidungsgrundlagen für Investor:innen, Kreditinstitute, Pensionsfonds, Investmentgesellschaften etc.
ESG verfolgt das Ziel, Profit und Nachhaltigkeit
in einen zukunftsfähigen Einklang zu bringen.
Die Plausibilität des ESG-Prinzips wird am Beispiel der Tabakindustrie deutlich: Die Folgen des Rauchens liegen lt. Tabakatlas des Deutschen Krebsforschungszentrums bei 100 Mrd. Euro jährlich, gegenüber 14 Mrd. Steuereinnahmen (Tabaksteuern). Arbeitnehmer:innen und Unternehmer:innen müssen also rund 85 Mrd. Euro u. a. durch ihre Beiträge zur Krankenversicherung bezahlen. Jährlich sterben 8 Mio. Menschen am Tabak, darunter sogar 1,3 Mio. Passivraucher. Ob Adipositas u. a. durch Zucker (100 Mrd. jährliche Folgekosten), die Folgekosten durch Alkohol (50 Mrd. jährlich) oder z. B. auch die Folgen atomarer Energien bzw. die klimatischen Folgen der Öl- und Gaswirtschaft u. a. durch die resultierenden CO₂-Emissionen.
So addieren sich alleine die Gesundheitskosten für bestimmte Industrieprodukte auf unglaubliche mind. 250 Milliarden Euro jährlich.
Die Muster gleichen sich: Wenige Profiteure erwirtschaften riesige Gewinne, zulasten kleinerer Unternehmen und Arbeiternehmer:innen. Solche Geschäftspraktiken sind weder fair noch nachhaltig noch zukunftsfähig, wie beispielhaft am überlasteten Gesundheitssystem zu erkennen.
Investoren suchen aus eigenem Interesse nach Unternehmen
mit einem Nettonutzen in Bezug auf ökologische oder soziale Faktoren.
Nachhaltige Unternehmen sind besonders resilient
Durch hochwertige, nachhaltige Qualität, Authentizität und gute Images haben entsprechende Unternehmen, auch in der grafischen Industrie, bessere Chancen beim Recruiting qualifizierter Mitarbeiter:innen. Sie profitieren durch eine wachsende Nachfrage und haben ihre Kosten u. a. für Energie im Griff – die Image- und Preisvorteile werden häufig an die Kunden weitergereicht. Ein schlüssiges Zukunftsversprechen steht hoch im Kurs.
European Green Deal: Direktiven der Europäischen Union

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Die Weltwirtschaft hat sich in über 50 Jahren auf Standards zur Bemessung und Reduzierung von CO₂-Emissionen und zur Steuerung von Liquidität für nachhaltige Unternehmungen geeinigt. Es entstanden weltweit Gesetzgebungen – in der EU der Green Deal – auch als Basis für die professionelle, nachhaltige Medienproduktion.
Fast sämtliche der circa 170 Direktiven des European Green Deal leiten sich daraus ab – etwa 20 davon mit Relevanz für die Druckindustrie, zum Beispiel:
- CSR (Corporate Social Responsibility) ist ein Schlüsselbegriff der Unternehmensethik und beschreibt die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen. CSR bezeichnet die Umsetzung, während der ESG-Mechanismus für Kennzahlen der Nachhaltigkeitsberichterstattung (z. B. nach GRI oder DNK) steht, die von Ratingagenturen ausgelesen und verglichen werden.
- Die europäische Umsetzung, die EU-Taxonomie formuliert u. a. Wirtschaftsaktivitäten, die nachhaltig sind. Unternehmen sollen bis zu 6 Umweltzielen beitragen, etwa zur Förderung der Kreislaufwirtschaft. Diese Basis ist elementar für die Kreditwürdigkeit, analog zum ESG.
- Die CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive) definiert den rechtlichen Rahmen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung, während die
- ESRS (Corporate Sustainability Reporting Directive) die zu berichtenden Inhalte definiert.
- EMAS (Eco Management and Audit Scheme) ist zwar keine Direktive, aber ein EU-weites Umweltmanagementsystem. Ziel ist eine Umwelterklärung, die im Vergleich zum CSR-Bericht konkretere Umweltdaten offenbart, etwa sog. Soll/Ist- oder Input/Output-Analysen, Kernindikatoren, Umweltziele und Umweltprogramme etc. EMAS impliziert einen stetigen Verbesserungsprozess in allen umweltrelevanten Unternehmensbereichen sowie eine generelle Beschäftigung mit der eigenen nachhaltigen Transformation.
- CSDDD (Corporate Sustainability Due Diligence Directive) ist eine EU-Richtlinie, die große Unternehmen dazu verpflichtet, menschenrechtliche und umweltbezogene Risiken in ihren globalen Wertschöpfungsketten zu identifizieren zu vermeiden und zu minimieren.
Die CSRD-Nachhaltigkeitsberichterstattung bildet im Gegensatz zur EMAS-Umwelterklärung stärker Nachhaltigkeitsthemen ab, etwa strategische Maßnahmen, Wesentlichkeitsanalysen und zivilgesellschaftliche Themen. Der CSRD-Standard sorgt für Verlässlichkeit, ist für Unternehmen bestimmter Größen Pflicht und bringt strategische Vorteile für Unternehmen mit sich, auch mit Blick auf Unsicherheiten in der eigenen Wertschöpfungskette.
Mehr Umweltschutz, weniger Bürokratie?
Mit der „Omnibus“-Verordnung soll ein einheitlicher und effizienterer Rahmen geschaffen werden, der insbesondere redundante Regelungen abbaut. Umweltberichte und -erklärungen sollen im Rahmen der Entbürokratisierung zusammengefasst werden können.
Der VSME-Standard (Voluntary Sustainability Reporting Standard for non-listed SMEs) ist ein freiwilliger Rahmen der EFRAG für Nachhaltigkeitsberichterstattung kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) ohne Börsennotierung. Er ermöglicht KMU, ihre Nachhaltigkeitsleistungen strukturiert zu kommunizieren, ohne die komplexen Anforderungen der CSRD zu erfüllen.

Beitrag von Jürgen Zietlow, UMDEX
Quellenverweise
- Die EUDR, kurz für EU-Verordnung über entwaldungsfreie Lieferketten (European Union Deforestation Regulation), ist eine Verordnung der Europäischen Union, die darauf abzielt, die Einfuhr und den Handel bestimmter Rohstoffe und daraus hergestellter Produkte in der EU zu regulieren, um zur Bekämpfung der weltweiten Entwaldung und Waldschädigung beizutragen.
- Die Green Claims Directive ist eine geplante Richtlinie der Europäischen Union, die darauf abzielt, irreführende Umweltaussagen (Greenwashing) zu verhindern und eine klare, transparente Kommunikation von Umweltvorteilen zu fördern. Sie wurde in der aktuellen Version gecancelt und soll vollständig neu entwickelt werden.
- Die Empowering Consumers Directive (Richtlinie zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel), ist eine EU-Richtlinie, die darauf abzielt, Verbraucher besser vor unlauteren Geschäftspraktiken zu schützen und sie zu nachhaltigeren Entscheidungen zu befähigen. Sie ergänzt bestehende Verbraucherschutzrichtlinien und zielt darauf ab, Greenwashing zu bekämpfen und die Transparenz bei Umweltaussagen zu erhöhen.
- Der GRI-Standard ist ein weltweit anerkanntes Rahmenwerk für die Nachhaltigkeitsberichterstattung, das von der Global Reporting Initiative (GRI) entwickelt wurde. Er bietet Unternehmen und Organisationen eine Struktur, um ihre ökonomischen, ökologischen und sozialen Auswirkungen transparent zu kommunizieren.
- Das Greenhouse Gas Protocol (GHG Protocol) ist ein international anerkannter Standard zur Bilanzierung und Berichterstattung von Treibhausgasemissionen (THG).
- Die ISO-Norm 14024 legt die Grundsätze und Verfahren für Umweltzeichen und -zertifizierungen fest, die eine unabhängige Überprüfung beinhalten, um sicherzustellen, dass Verbraucher und professionelle Einkäufer genaue und vergleichbare Informationen erhalten.